USA. Präsidentschaftskandidaten positionieren sich gegen Donald Trump. Kamala Harris spielt sich ins Rampenlicht, Joe Biden erleidet Einbußen.
New York. Am Rande des G20-Gipfels in Osaka hatte Donald Trump schnell sein Urteil gefällt: Der TV-Auftritt der demokratischen Präsidentschaftskandidaten sei „langweilig“ gewesen, sagte er bereits beim Anflug. „Sleepy Joe“ Biden und „Crazy Bernie“ Sanders hätten keinen guten Tag gehabt. „Das ist das Ende des Rennens“, twitterte er nach der zweiten Diskussion in der Nacht auf Freitag. Er erzählte das auch Angela Merkel, die ein wenig irritiert wirkte.
Ganz unrecht hatte Trump mit seiner Einschätzung nicht. Vor allem im ersten Teil der zweitägigen Debatte blieben die großen Momente weitgehend aus. Einzig die solide Leistung von Elizabeth Warren, der Senatorin aus Massachusetts, ragte heraus. Sie agierte fehlerfrei und positionierte sich als weit links stehende Alternative zu Joe Biden, dem Parteiveteranen. Warrens Stärke trifft Sanders, den Progressiven aus Vermont, dem nun junge, linksliberale Wähler abhanden kommen könnten.
Erstmals in der US-Geschichte war die Debatte im Vorwahlkampf auf zwei Tage aufgeteilt worden, weil das Feld der Demokraten größer denn je ist. In Miami trafen zehn Kandidaten Mittwochnacht aufeinander, zehn weitere Donnerstagnacht. Dabei zeigte sich: Noch haben die Demokraten keine einheitliche Linie gefunden, wie sie Trump bei den Wahlen 2020 aus dem Amt jagen wollen.
Immigration spaltet
Vor allem beim Thema Immigration ist die Partei gespalten. Punkten konnte Julián Castro, Ex-Wohnbauminister unter Barack Obama. Mit seinem Vorschlag, illegale Grenzübertritte künftig nicht mehr strafrechtlich zu verfolgen, drängte er weniger linksliberale Mitstreiter in die Ecke.
Tatsächlich wird das Thema Migration im Wahlkampfmarathon der kommenden 16 Monate ins Zentrum rücken. Trump setzt auf Härte, um den Schleppern das Handwerk zu legen. Dass die Demokraten intern über ihre Gegenstrategie streiten, ist unbestritten. So sorgte Nancy Pelosi, Chefin im Abgeordnetenhaus, für Ärger, indem sie einer konservativen Gesetzesvorlage aus dem Senat zustimmte. 4,6 Milliarden Dollar sollen demnach für humanitäre Hilfe, aber auch für einen besseren Grenzschutz bereitgestellt werden. Die Progressiven schäumten, knapp 100 Demokraten stimmten gegen Pelosi.
Der Streit bei den Demokraten hat das Potenzial, die Partei durcheinanderzuwirbeln. Als Siegerin könnte dabei auch Kamala Harris hervorgehen. Die kalifornische Senatorin ist die einzige schwarze Frau im Bewerberfeld, US-Medien feiern sie als die große Siegerin der ersten Debattenrunde. Vor allem ihr Frontalangriff gegen Biden sorgte für Furore: Kommentare des 76-Jährigen, wonach er auch mit Senatoren zusammenarbeitete, die die Rassentrennung gutgeheißen hatten, seien „schmerzlich“ gewesen, sagte Harris.
Es schien, als hätte sie Biden am falschen Fuß erwischt. Der frühere Vizepräsident rang um eine Antwort, fast schien er erleichtert, als seine Redezeit abgelaufen war.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2019)