Die EU und die Mercosur-Staaten einigen sich auf ein historisches Handelsabkommen. Was bedeutet das?
Brüssel. Zwanzig Jahre lang hat die Europäische Union mit den südamerikanischen Staaten des Mercosur-Blocks um ein Handelsabkommen gerungen. In der Nacht auf Samstag war es so weit: Die EU hat den lang ersehnten Pakt mit Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay festgezurrt und die größte Freihandelszone der Welt geschaffen. Politiker auf beiden Seiten des Atlantiks feiern den Deal als „historisch“. Aber was bringt das Abkommen konkret? Wer gewinnt? Wer verliert?
Hauptziel des Handelspakts ist der Abbau von Zöllen. Auf Seite der Europäer dürfte davon vor allem die Industrie profitieren. Denn bisher heben die Mercosur-Staaten Zölle in Höhe von 35 Prozent auf Autos und bis zu 20 Prozent auf Maschinen aus der EU ein. In Summe sollen sich die europäischen Exporteure rund vier Milliarden Euro an Zöllen jährlich ersparen. Die Mercosur-Staaten wollen mit dem Deal indes ihre Agrarexporte in die EU deutlich ausweiten. So dürfen künftig etwa 99.000 Tonnen brasilianisches und argentinisches Rindfleisch zu eher niedrigen Zöllen in die EU eingeführt werden. Nicht zuletzt deshalb sehen sich viele Landwirte in der EU als Verlierer des Abkommens. Sie warnen vor einer Wettbewerbsverzerrung zu Lasten Europas Bauern.
762 Millionen Menschen. Beachtlich ist der Pakt vor allem aufgrund der Größe des Markts. In Summe leben künftig 762 Millionen Menschen in der weltgrößten Freihandelszone. Bisher ist der Handel zwischen den Wirtschaftsblöcken noch eher bescheiden. Die EU exportiert Produkte im Wert von 45 Milliarden Euro in die Mercosur-Staaten und importiert Waren im Wert von 42,6Milliarden. Beide Seiten erwarten, dass sich das rasch ändern wird. Brasilien rechnet mit einer Verdreifachung der Wirtschaftsleistung binnen 15 Jahren.
Relevant ist das Abkommen nicht zuletzt aufgrund der politischen Komponente. Während die USA und China dem Protektionismus frönen, positioniert sich Europa konsequent als Speerspitze des globalen Freihandels. Im Februar schuf die EU mit Japan die damals größte Freihandelszone der Welt. Mit dem Mercosur-Pakt bricht sie ihren eigenen Rekord selbst.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2019)