Jeden Montag präsentiert die „Nationalökonomische Gesellschaft“ in Kooperation mit der „Presse“ aktuelle Themen aus der Sicht von Ökonomen. Heute: Rudolf Winter-Ebmer über Automatisierung, Arbeitslosigkeit und Wirtschaftspolitik.
Digitalisierung und Automatisierung begeistern nicht nur Technik-Freaks und Start-Ups, sie beschäftigen auch Industrie- und Sozialpolitiker in allen Ländern und machen diese entweder hoffnungsfroh oder besorgt. Manche Studien für die USA gehen davon aus, dass fast die Hälfte aller Jobs durch Automatisierung verloren gehen werden, Studien für Europa oder insbesondere Österreich sind dabei weitaus vorsichtiger.
Ein Beruf ist in Gefahr, automatisiert zu werden, wenn die meisten Tätigkeiten dieses Berufes so genau beschrieben werden können, dass man damit ein Computerprogramm „füttern“ könnte – oder dass mit dieser genauen Anweisung auch niedrigqualifizierte Arbeitskräfte im Ausland diese Tätigkeiten verrichten könnten. Mit Hilfe dieser Definition kann man abschätzen, ob solche Jobs in Zukunft in Österreich verloren gehen könnten. Eine jüngere Studie des IHS geht davon aus, dass das nur für etwa 10 Prozent aller Jobs zutreffen könnte. Österreich als ein führendes Land in der Entwicklung und Produktion von Industrierobotern oder Automatisierungs- und Energietechnik wird dabei jedenfalls in einer besseren Position als vergleichbare Länder sein, weil es auch zu höherem Wachstum in diesen technologiefreundlichen Sektoren kommen wird.
Der ökonomische Blick
Jeden Montag gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.
Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der „Presse"-Redaktion entsprechen.
Ungeachtet der Gesamtbeschäftigungseffekte wird Automatisierung zu einer Polarisierung der Beschäftigungschancen in Österreich führen - zwischen jenen, die aufgrund von Digitalisierung bessere Jobs bekommen werden und solchen, deren Jobs verloren gehen. Ein entscheidender Aspekt ist dabei, wie die Wiedereingliederung dieser Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt gelingen kann.
In einer Analyse aller Arbeitslosenepisoden der Jahre 2000-2013 können wir (Schmidpeter und Winter-Ebmer) untersuchen, wie sich die Gefahr der Automatisierung eines Jobs auf die Arbeitslosigkeitsdauer auswirkt. Dabei zeigt sich, dass bei Männern und Frauen – mit ansonsten gleichen Charakteristiken – die Wiederbeschäftigungschancen bei Personen mit automatisationsgefährdeten Jobs signifikant schlechter sind. Während die Jobchancen bei Frauen im Zeitablauf unverändert schlecht sind, sinken sie bei Männern in den letzten Jahren noch weiter ab.
Umschulung wirkt, bringt aber geringere Einkommen
Was kann die Arbeitsmarktpolitik tun, um diese Probleme abzufedern? Es zeigt sich, dass Arbeitslose mit höherer Automatisierungsgefahr häufiger Umschulungsangebote bekommen und diese auch besser wirken als bei anderen Arbeitslosen. In Summe zeigt sich (siehe Grafik unten), dass Arbeitsmarktpolitik bei allen Arbeitslosen wirkt, besser bei den jüngeren (unter 40 Jahren), aber insbesondere besser bei solchen mit höherer Automatisierungsgefahr (alle Vergleiche beziehen sich auf gleiche Personen ohne Umschulung). Leider sind die Effekte geringer bei älteren Personen und auch bei weniger qualifizierten Personen. Darüber hinaus müssen umgeschulte Personen geringere Einkommen in Kauf nehmen.
Automatisierung und Technologischer Wandel bedeutet, dass die Turbulenzen auf dem Arbeitsmarkt zunehmen und dass die Polarisierung stärker wird. Akzeptanz für neue Technologien kann man insbesondere fördern, wenn man den Opfern des Wandels entsprechende Unterstützung angedeihen lässt, dies umso mehr, wenn die Opfer des Wandels eher ältere und weniger qualifizierte Beschäftigte sind. Der zunehmende technologische Wandel erlaubt somit nicht, sich auf Seiten der Arbeitsmarktpolitik zurückzulehnen.

Weiterführende Informationen:
Frey, C. B., Osborne, M. A. (2013), The future of employment: how susceptible are jobs to computerisation, Technological Forecasting and Social Change, 114, 2017, 254-280.
Nagl, W., Titelbach, G. und Valkova, K. (2017), Digitalisierung der Arbeit: Substituierbarkeit von Berufen im Zuge der Automatisierung durch Industrie 4.0, Studie IHS, Wien.
Schmidpeter, B. und Winter-Ebmer, R. (2019), Automation, Offshoring, and the Role of Public Policies, WP 1914, JKU Linz.
Der Autor
Rudolf Winter-Ebmer ist Professor für Arbeitsmarktökonomie an der Johannes Kepler Universität Linz, am Linzer Institute of Technology und am Institut für Höhere Studien (IHS), Wien. Seit 2002 ist er österreichischer Teamleiter für den "Survey on Health, Ageing and Retirement in Europe" (SHARE). Er ist heute Co-Chair des Christian-Doppler-Labors "Ageing, Health and the Labor Market".
