Klimawandel: Verschwörungstheoretiker "kapern" Youtube

APA/AFP/LOIC VENANCE
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Ein Großteil der Youtube-Videos zum Thema Klimawandel und Globale Erwärmung verbreite unwissenschaftliche Sichtweisen, heißt es in einer Studie. Besonders präsent sei die Chemtrail-Theorie.

Beispiellose Waldbrände in Alaska, Kanada und Sibirien, die Unmengen CO2 in die Atmosphäre stoßen, Temperaturrekorde von 42 Grad in Deutschland, Hunderte Hektar von der Hitze in Brand gesteckte Felder in Frankreich - der Klimawandel, so scheint es, hat die Nordhalbkugel voll erfasst. Doch wer mehr über das Phänomen erfahren will, sollte das nicht auf Youtube machen, heißt es in einer im Fachblatt „Frontiers of Communication“ erschienenen Studie.

Denn ein Großteil der Inhalte über Klimawandel und Geo-Engineering (Das bewusste Verändern des Klimas durch technische Mittel, um die Folgen der Erderwärmung zu begrenzen) auf der Video-Plattform widerspreche dem weltweiten wissenschaftlichen Konsens: Er folgt seit 2013 den Berichten des Weltklimarats (IPCC), dass die Menschheit der Hauptverursacher der globalen Erwärmung seit 1950 ist.

Auf Youtube spuckten weniger als die Hälfte der Suchen Videos aus, die dem wissenschaftlichen Mainstream entsprechen, sagte Studienautor Joachim Allgaier an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen dem Wissenschaftsportal „Eurekalert“. „Es ist alarmierend, dass der Großteil der Videos Verschwörungstheorien über Klimawissenschaft und -technologie verbreitet.“ Seriöse Videos wurden mit 16.941.949 Millionen Views auf Youtube nur wenig mehr als unwissenschaftliche (16.939.655) ausgewiesen.

Vor allem für junge Menschen sei Youtube ein wichtiger Informationskanal - auch wenn es um wissenschaftliche Fragestellungen gehe, heißt es in Allgaiers Studie. Monatlich besuchen fast zwei Milliarden registrierte Nutzer Youtube. Täglich werden auf der Plattform fünf Milliarden Videos angesehen.

>>> Das „Presse"-Lexikon zur Klima-Debatte.

Chemtrail-Propaganda

Besonders problematisch seien Suchbegriffe, die in Verbindung mit Geoengineering stehen, heißt es in der Studie. Denn viele der Videos, die über diesen Begriff in den Suchergebnissen erschienen, propagierten die sogenannte Chemtrail-Theorie: Flugzeuge würden im Auftrag von Regierungen Chemikalien versprühen, um Menschen zu manipulieren und zu vergiften, sagen die Verschwörungstheoretiker.

Die Anhänger der wissenschaftlich widerlegten Theorie hätten Begriffe wie Geoengineering regelrecht gekapert, schreibt Allgaier. „Sie nutzen einen relativ jungen Begriff, um ihr Anliegen wissenschaftlicher und vielleicht auch nachvollziehbarer klingen zu lassen.“ So könnten sie bei wissenschaftlichen Diskussionen über die künstliche Manipulation des Klimas „Trittbrett fahren“. Wer also im Internet „Geoengineering“ sucht, wird eher von den Verschwörungstheoretikern erstellte Videos und Inhalte finden.

Und die Chemtrail-Anhänger agierten hochprofessionell, so Allgaier: Sie verbreiteten Inhalte unter verschiedenen Schlagworten, Titeln und Namen auf Sozialen Medien, wüssten bestens über Suchmaschinenoptimierung Bescheid und nutzten die Kommentarfunktionen unter seriösen Videos, um ihre Sichtweisen populärer zu machen.

Allianz von Wissenschaftern und populären Youtubern

Der Wissenschafter stellt daher das Geschäftsmodell von Youtube und dessen - undurchsichtige - Suchalgorithmen infrage: Die Video-Plattform lebt von der Zahl ihrer Nutzer und den Werbeschaltungen, die sie durch hohe Zugriffszahlen generieren kann. Daher mache es für Youtube keinen Unterschied, ob die Videos seriös seien oder nicht - solange sie Geld bringen, meint Allgaier. Einige der untersuchten Verschwörungsvideos gingen sogar mit Werbungen für T-Shirts oder anderen Produkten einher, die Verschwörungstheorien vermittelten.

Allgaier fordert daher Wissenschafter dazu auf, mit einflussreichen Youtubern, Politikern und anderen bekannten Persönlichkeiten zusammenzuarbeiten, um akkurate Inhalte im Internet einem möglichst großen Publikum zugänglich machen zu können.

>>> Artikel auf „Eurekalert“.

>>> Artikel in „Frontiers of Communication“.

(me)

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