„Waldbrände in Sibirien kein lokales Problem mehr“

Sicht von einem Löschflugzeug auf die brennende Taiga.
Sicht von einem Löschflugzeug auf die brennende Taiga.APA/AFP/press-service of Russia'
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Mindestens 30.000 Quadratkilometer Land sind verbrannt, regional wurde der Notstand verhängt.

Krasnojarsk/Irkutsk/Moskau. Vor ein paar Tagen hatte der Gouverneur des Gebiets Krasnojarsk noch erklärt, dass das Löschen der sibirischen Waldbrände „sinnlos und gefährlich“ sei. Waldbrände im Sommer seien ein natürliches Phänomen, sagte Alexander Uss bei einem Jugendforum, vergleichbar mit Blizzards im Winter.

Tatsächlich ist es in den abgelegenen Weiten Sibiriens übliche Praxis der Behörden, Waldbrände sich selbst zu überlassen. Die Gegend ist dünn besiedelt, man greift nur ein, wenn unmittelbar Menschen bedroht sind. Zudem haben die Regionen wenig Geld für Einsätze von Löschbrigaden zur Verfügung. Die Kosten übersteigen den Nutzen des geretteten Grünraums. Doch heuer ist die Lage kritischer – und die Behörden müssen reagieren. Auch, weil sich Unmut in der Bevölkerung regt.

Unüblich große Feuer

Die Feuer sind wegen der Hitze und starker Winde größer als sonst. Sie haben bisher eine Gesamtfläche von drei Millionen Hektar erfasst, das sind 30.000 Quadratkilometer und entspricht etwa der Größe von Ober- und Niederösterreich zusammen. An 147 Brandherden wird aktuell gelöscht; mehr als 300 weitere Brände werden auf behördlichen Beschluss nicht eingedämmt, da sie sich in schwer zugänglichen Regionen befinden.

Premier Dmitrij Medwedew hat die Gouverneure aufgefordert, den Feuern spezielle Aufmerksamkeit zu widmen. Im Krasnojarsker und Irkutsker Gebiet und teils im angrenzenden Burjatien wurde der Katastrophenzustand ausgerufen. Doch auch in sibirischen Großstädten sind Menschen schon von der Beeinträchtigung der Luft betroffen. Städte in den Regionen Tomsk, Altai, Jekaterinburg und Tscheljabinsk bekommen die Folgen der Waldbrände zu spüren. Auf einigen Flughäfen ist der Verkehr wegen Rauchs beeinträchtigt.

In den vergangenen Tagen veröffentlichten Bürger Fotos in sozialen Medien, die beunruhigende Bilder zeigen: Rauch in den Straßen von Krasnojarsk, spielende Kinder mit Atemmasken, lodernde Flammen. Menschen klagen über Atemnot und Schwindel. Die Feinstaubbelastung steigt. Mehr als 400.000 Unterschriften hat eine Onlinepetition gesammelt, die eine Ausrufung des Katastrophenzustands forderte.

Eisschmelze in Arktis gefördert

Nicht nur Russen könnten indes von den Folgen der Waldbrände betroffen sein. Umweltschützer warnen, dass die Zerstörung riesiger Waldflächen in Sibirien eine gefährliche Klimawandel-Spirale auslöse und zur Eisschmelze in der Arktis beitrage. Greenpeace Russland hebt hervor, dass die Brände im Osten des Landes „schon lang kein lokales Problem mehr“ seien. Vielmehr handle es sich um „eine Umweltkatastrophe auf nationaler Ebene“. Die Umweltorganisation gibt an, dass heuer sogar schon zwölf Millionen Hektar Land (120.000 km2) niedergebrannt seien. Es würden große Mengen an klimaschädlichem Kohlendioxid freigesetzt, außerdem könne niedergebrannter Wald vorerst kein CO2 mehr speichern.

Hinzu komme das Problem der Rußpartikel, die auf Eis und Schnee fallen, warnt die Weltorganisation für Meteorologie gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Ruß lasse Eis schmelzen oder sorge vor allem durch Verdunkelung der Schnee- und Eisflächen dafür, dass diese nicht mehr so viel Sonnenlicht reflektierten und somit weniger zur Kühlung der Erde beitrügen.

Auf Bildern der Nasa, die unter anderem über Twitter verbreitet wurden, sieht man, dass beeindruckende Rauchwolken die Arktis erreicht haben. Grigori Kuxin von Greenpeace Russland sagt, dass Ruß und Asche die Eisschmelze dort und das Auftauen von Permafrostböden beschleunigten. Die Wirkung der Brände in Sibirien auf das Klima sei somit „sehr beträchtlich“. Kuxin warnt vor einem Teufelskreis: „Je mehr die Brände das Klima beeinflussen, desto günstiger sind die Bedingungen für neue gefährliche Brände.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2019)

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