Ankara stellt kurdische Kommunalbehörden unter Zwangsverwaltung.
Istanbul. Während die Welt auf die türkische Intervention gegen die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien blickt, geht Ankara auch gegen die kurdischen Kommunalverwaltungen im eigenen Land vor. Mehrere Städte im kurdisch besiedelten Südosten der Türkei wurden in den vergangenen Tagen unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt; ihre gewählten Bürgermeister von der Kurdenpartei HDP wurden abgesetzt und verhaftet.
Ein halbes Jahr nach den Kommunalwahlen vom Frühjahr stehen damit insgesamt acht Kommunen im Kurdengebiet wieder unter staatlicher Zwangsverwaltung. Am Montag holte die Polizei im Morgengrauen weitere Kurdenpolitiker ab, darunter den abgesetzten Bürgermeister der Millionenstadt Diyarbakir, Selcuk Mizrakli.
Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hatte schon im März angekündigt, er werde gewählte Bürgermeister im Kurdengebiet absetzen lassen, wenn sie sich als „Terrorhelfer“ erweisen sollten. Ankara wirft der Kurdenpartei HDP vor, mit der Terrorgruppe PKK zusammenzuarbeiten, die ihrerseits mit der Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien verbandelt ist. Die HDP bestreitet ihre Verbindungen mit der Miliz zwar nicht, tritt aber für Gewaltfreiheit ein und weist den Vorwurf der Terrorunterstützung zurück.
Im türkischen Parlament stimmte die HDP als einzige Partei gegen den Einmarsch in Nordsyrien. Gegen die Vorsitzenden der HDP, Sezai Temelli und Pervin Buldan, sowie weitere Mitglieder der Parteiführung hatte die Staatsanwaltschaft schon am 10. Oktober strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Weil sie öffentlich gegen den Krieg eintraten, wird ihnen Terrorpropaganda und Herabwürdigung der türkischen Regierung zur Last gelegt. (güs)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2019)