Unsere Zeit sei von politischem Moralismus und Political Correctness geprägt, sagt der deutsche Medientheoretiker Norbert Bolz. Sachlicher Diskurs werde kaum geführt, sondern die Gesellschaft nur mehr in „die Guten“ und „die Bösen“ eingeteilt. Die Folge: Viele Menschen bringen sich selbst zum Schweigen – und melden sich nur in der Wahlkabine zu Wort.
„Ein großer Mensch ist ohne Furcht vor der Meinung“, schrieb Friedrich Nietzsche. Heute wollen Studierende an deutschen und österreichischen Universitäten Rednern das Wort verbieten, deren Meinung ihnen nicht genehm ist. Erleben wir den Niedergang der Diskussionskultur?
Norbert Bolz: Ja. Wir leben im Zeitalter der Political Correctness. Jeder, der da nicht mitmachen will, wird stigmatisiert. Deshalb traut sich niemand mehr, von dem von oben gesetzten Mainstream abzuweichen, sei es auch nur mit vorsichtigen Formulierungen. Das beobachte ich vor allem dann, wenn es um die großen Themen geht, die in den vergangenen Jahren einen kulturellen Bürgerkrieg ausgelöst haben.
Welche Themen haben einen kulturellen Bürgerkrieg ausgelöst?
Die große Flüchtlingskrise, der Klimawandel, Europa und der Aufstand der Minderheiten. Sie haben zu einer Spaltung der Gesellschaft geführt.