Die Lage in Kirgistan eskaliert weiter. Im Süden des Landes haben am Sonntag Kirgisen etwa 30 Mitbürger der usbekischen Minderheit getötet. Ex-Präsident Bakijew wirft der Übergangsregierung Unfähigkeit vor.
Moskau/Bischkek. Wie ein Flächenbrand scheint sich die Gewalt im Süden der zentralasiatischen Republik Kirgistan auszubreiten. War bis Sonntag die zweitgrößte Stadt Osch alleiniger Schauplatz ethnisch motivierter Gemetzel, so schwappten die Attacken am Sonntag auf die benachbarte Region Jalal-Abad über.
Eine bewaffnete Gruppe von etwa 100 Jugendlichen habe ein Wohngebiet der usbekischen Minderheit angegriffen und Häuser abgebrannt, berichtet die Internetzeitung „Ferghana.ru“. Andere Quellen sprachen von 2000 Bewaffneten. Maskierte hätten auch im Spital das Feuer eröffnet.
Unterdessen schien sich die Situation in Osch gegen Sonntagabend zu beruhigen. Truppen brachten dort strategische Einrichtungen unter ihre Kontrolle. Aber die Lage bleibt laut Innenministerium „angespannt“. Zusätzlich zum Ausnahmezustand wurde am Sonntag die Teilmobilmachung der Armee verfügt.
Über 80 Tote, 1100 Verletzte
Seit Beginn der Unruhen am Donnerstag starben 84 Menschen, mehr als 1100 wurden verletzt. Tausende Usbeken flohen ins benachbarte Usbekistan. Hat es bisher geheißen, dass die Zusammenstöße entlang der ethnischen Trennlinie stattfänden, gibt es nun auch Berichte, dass sich mancherorts Kirgisen und Usbeken zusammenschließen und gemeinsam gegen die Chaoten vorgehen.
Die kirgisische Übergangsregierung glaubt, dass ihre Gegner die ethnischen Spannungen zur Destabilisierung des Landes nutzen. Der im April durch einen Aufstand abgesetzte autoritäre Ex-Präsident Kurmanbek Bakijew, im Exil in Weißrussland, sagte, dass er mit dem Konflikt nichts zu tun habe.
Russland entsandte am Sonntag ein Bataillon (rund 700 Mann) Fallschirmjäger, sie sollen russische Einrichtungen schützen. Die Bitte der kirgisischen Regierung um Militärhilfe hat Moskau bisher abgelehnt, schickt allerdings medizinische Helfer ins Krisengebiet und holt Verletzte heraus. Heute, Montag, wollen die Ex-Sowjetrepubliken über eine Reaktion beraten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2010)