Analyse

Das türkische Libyen-Abenteuer

Turkish President Erdogan meets with Libya´s internationally recognised Prime Minister Fayez al-Sarraj in Istanbul
Turkish President Erdogan meets with Libya´s internationally recognised Prime Minister Fayez al-Sarraj in Istanbul(c) REUTERS
  • Drucken

Präsident Erdoğan plant Militärintervention, um den Vorstoß des Rebellengenerals Haftar auf Tripolis zu stoppen. Ein Clash mit Russland ist programmiert.

Offiziell gilt für Libyen ein UN-Waffenembargo – tatsächlich aber wird das nordafrikanische Land immer mehr zum Schauplatz eines internationalen militärischen Konflikts. Am Himmel sind Drohnen aus der Türkei, Italien, den USA, Frankreich und Russland im Einsatz. Ende November zerstörten russische Geschosse nach US-Angaben eine amerikanische Beobachtungsdrohne in der Nähe der Hauptstadt Tripolis. Auf dem Boden werden russische Söldner, türkische Militärfahrzeuge und jordanische Militärausbilder aufgeboten. Nun könnte sich der Konflikt noch erheblich ausweiten.

Die türkische Regierung erwägt, Bodentruppen nach Libyen zu entsenden, um der international anerkannten Regierung in Tripolis gegen den Angriff des Rebellengenerals Khalifa Haftar zu helfen. Die regierungstreue Zeitung „Takvim“ meldete am Montag, die türkische Armee halte schon Landungsschiffe für den Truppentransport nach Libyen bereit. Gedacht werde an eine Entsendung von Elitetruppen mit Panzern, gepanzerten Fahrzeugen und Drohnen.

Die Türken könnten dabei auf russische Kämpfer treffen, die auf Haftars Seite stehen. Acht Jahre nach dem Sturz von Diktator Muammar al-Gaddafi droht in Libyen eine Eskalation mit möglichen Auswirkungen bis nach Europa und Syrien. Die Türkei ist in Syrien auf das Wohlwollen des Kreml angewiesen. Erdoğan versuchte deshalb vorige Woche in einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten, Wladimir Putin, Moskau von der Parteinahme für Haftar abzubringen, offenbar ohne Erfolg. Das Thema Libyen dürfte bei einem Türkei-Besuch von Putin am 8. Jänner eine wichtige Rolle spielen.

Stellvertreterkrieg um Einfluss und Öl

In Libyen bekämpfen sich zwei Regierungen – die international anerkannte Führung unter Ministerpräsident Fayez al-Sarraj im Westen des Landes um Tripolis und eine Gegenregierung im Osten, in der General Haftar der starke Mann ist. Haftar verdammt die Sarraj-Regierung als Islamistentruppe, während Sarraj seinen Gegner Haftar als Verbrecher bezeichnet.

Um diese Lager haben sich rivalisierende internationale Gruppen gebildet. Der Ölreichtum Libyens lockt viele Interessenten. Russland, Frankreich, Ägypten, Saudiarabien und die Vereinigten Arabischen Emirate stehen hinter Haftar. Die USA haben im Frühjahr zunächst Haftars Angriff auf Tripolis gutgeheißen, fordern inzwischen jedoch ein Ende der Offensive und der russischen Einmischung. Die Türkei und Katar unterstützen die Regierung von Sarraj, der in den vergangenen Wochen zweimal die Türkei besuchte, zuletzt am Sonntag.

Der Premier braucht dringend Hilfe. Haftars Attacke auf Tripolis steckte monatelang in den Vororten der Hauptstadt fest, was unter anderem an der türkischen Militärhilfe für die mit Sarraj verbündeten Milizen lag. Am Donnerstag verkündete Haftar einen Schlussangriff; angeblich erhielt er frische Verstärkung durch rund 100 russische Söldner und moderne russische Geschosse.

Um Haftars Durchmarsch zu verhindern, wandte sich Sarraj an die Türkei. Ankara sagte Hilfe zu, verlangte aber eine Gegenleistung: die libysche Zustimmung zu einem Abkommen, das Ankaras Position im Streit um Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer stützt. Das türkische Parlament soll den Vertrag mit Libyen am Mittwoch ratifizieren.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Türkei

Schickt Erdoğan Truppen nach Libyen?

Der türkische Präsident heizt den Konflikt mit der EU über das östliche Mittelmeer an und knüpft an die Osmanen an.
Migration

Ziehen Seeretter Migranten an?

Im politischen Streit um die Frage, ob Rettungsschiffe den Schlepperbanden im Mittelmeer indirekt helfen, gibt eine neue Studie den Befürwortern einer harten Linie recht.
Leitartikel

Der zynische Stellvertreterkrieg in Libyen gerät außer Kontrolle

Es braucht dringend neue Verhandlungen, um die Schlacht um Tripolis zu beenden. Doch Erdoğan, Putin, Macron & Co. haben daran wenig Interesse.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.