Die Nord-Stream-2-Sanktionen seien "aggressive Mittel eines fossilen Energie-Krieges", sagte die deutsche Umweltökonomin Claudia Kemfert.
Die Umweltökonomin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, hat an die EU appelliert, die US-Sanktionen gegen den Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 nicht tatenlos hinzunehmen. Europa solle erwägen, "Klima-Zölle" gegen die USA zu verhängen, damit kein umweltschädliches Fracking-Gas aus den USA nach Deutschland und Europa exportiert werden könne, sagte Kemfert dem "Handelsblatt" (Montagsausgabe).
Die US-Kritik an Nord Stream 2 sei zwar berechtigt, doch seien die Sanktionen "absolut inakzeptabel", betonte die Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am DIW. Europa solle sich dagegen zur Wehr setzen.
Auch Kritik an Nord Stream 2
Kemfert sagte, sie sehe in den US-Sanktionen "aggressive Mittel eines fossilen Energie-Krieges". Gas werde mittlerweile nicht mehr nur von Russland, sondern auch den USA als "politische Waffe" genutzt. Hinter den US-Sanktionen vermutet die Expertin die Absicht der USA, ihr eigenes Flüssiggas zu möglichst hohen Preisen nach Europa und Deutschland zu verkaufen.
Kemfert übte aber auch harte Kritik an Nord Stream 2. Der Bau einer solch teuren Pipeline sei "umweltpolitisch schädlich, energiewirtschaftlich unnötig und betriebswirtschaftlich unrentabel". Die Pipeline soll es ermöglichen, russisches Erdgas in weitaus größerem Umfang als bisher direkt durch die Ostsee nach Deutschland zu liefern.
Deutschland erwartet Verzögerung
Die deutsche Bundesregierung fürchtet durch die im Raum stehenden US-Sanktionen eine Verzögerung. Das werde das Vorhaben zurückwerfen, sagte Transatlantik-Koordinator Peter Beyer am Montag im Deutschlandfunk. Eine Fertigstellung sei für das zweite Halbjahr 2020 zu erwarten.
Der CDU-Politiker Beyer sagte, die Strafmaßnahmen kämen angesichts der anhaltenden US-Kritik nicht überraschend. "Das trifft uns schon sehr." Trotzdem sei eine Eskalationsspirale mit Gegenmaßnahmen nicht sinnvoll. Beyer ergänzte mit Blick auf die USA: "Es geht natürlich auch darum, dass sie ihren eigenen Flüssiggasmarkt in Europa entwickeln wollen." Flüssiggas aus den USA sei aber erheblich teurer.
Die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer sagte am Montag in Berlin: "Wir gucken uns das genau an und werden dann über alles Weitere entscheiden.“ Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums bekräftigte die deutsche Position, wonach exterritoriale Sanktionen abgelehnt werden. Die deutsche Regierung hatte Gegenmaßnahmen in Form von Sanktionen bereits ausgeschlossen.
US-Präsident Donald Trump hatte am Freitag den neuen Verteidigungshaushalt unterzeichnet und damit die darin enthaltenen Sanktionen gegen Nord Stream 2 in Kraft gesetzt. Sie richten sich gegen Firmen, die am Verlegen der Pipeline beteiligt sind, sowie deren Eigner. Als Strafmaßnahmen vorgesehen sind Einreiseverbote und das Einfrieren von Vermögen in den USA.
(APA/AFP)