EU-Gipfel zum Euro: Klare Diagnose und keine Therapie

Euro Klare Diagnose keine
Euro Klare Diagnose keine(c) EPA (OLIVER BERG)
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Europas Staatsführer werden beim heutigen Brüsseler Gipfel die Geburtsfehler des Stabilitätspaktes nicht korrigieren. Der Schatten der Eurokrise liegt über allen politischen Bestrebungen.

Der 17. Juni 1997 war eine Sternstunde in Helmut Kohls Leben. Beim EU-Gipfel in Amsterdam wurde der Stabilitäts- und Wachstumspakt nach langem Widerstand Frankreichs Wirklichkeit. Vor allem zwei Regeln lagen dem deutschen Kanzler und seinem Finanzminister Theo Waigel am Herzen: Erstens sollte kein Euroland eine höhere jährliche Neuverschuldung als drei Prozent seiner Wirtschaftsleistung haben. Zweitens sollte die Schuldenquote 60 Prozent nicht übersteigen.

Eine Währung, 16 Fiskalpolitiken

Alles klar also an Bord des Euro-Schiffes? Mitnichten. Spätestens seit Beginn der griechischen Schuldenkrise im Herbst 2009 ist die Europhorie einer schweren Depression gewichen. Kohls und Waigels Stabilitätspakt erwies sich als von Anfang an untauglich.

Denn der verhängnisvolle Geburtsfehler der Währungsunion wurde geflissentlich ignoriert: Wenn man eine gemeinsame Währung hat, muss man auch eine gemeinsame Fiskalpolitik machen. Doch auf diese Vergemeinschaftung der wichtigsten nationalen Kompetenz – Steuern einheben, Staatsausgaben beschließen – haben Europas Führer keine Lust. Und so gibt es zwar eine Einheitswährung, aber 16 Fiskalpolitiken.

Heute, Donnerstag, auf den Tag genau 13 Jahre nach Kohls Triumph, findet wieder ein EU-Gipfel statt. Auf der offiziellen Tagesordnung des Brüsseler Treffens findet sich weder Euro noch die spanische Bankenkrise (siehe Seite 2) – nur ein paar unverbindliche Willensbekundungen zu besserer budgetpolitischer Absprache, auf die sich die Finanzminister jüngst geeinigt haben, werden formal bestätigt. Man möchte unter dem Vorsitz von Ratspräsident Herman Van Rompuy lieber über die „Europa 2020“-Strategie reden, einen schwammigen Zehnjahresplan unverbindlicher Reformziele. Oder über Islands EU-Beitrittsgesuch. Oder darüber, dass man gern eine weltweite Bankenabgabe hätte.

Die schlechte Saat geht auf

Bloß: Der Schatten der Eurokrise liegt über allen politischen Bestrebungen der 27 europäischen Staatsführer. Denn sie offenbart, wie fatal es ist, sich auf hochtrabende Ziele zu einigen, ohne die notwendigen Hausaufgaben gemacht zu haben – oder diese Ziele im Nachhinein selbst zu untergraben, wie es Kohls Nachfolger Gerd Schröder und Frankreichs Präsident Jacques Chirac im März 2005 getan haben, als sie angesichts ihrer eigenen unerlaubt hohen Defizite einfach den Stabilitätspakt aufgeweicht haben.

Zumal es ja nicht so ist, dass die Problemes im Design der Währungsunion nicht schon vor Einführung des Euro bekannt gewesen wären. Man hätte nur auf die Mahner hören müssen. Mahner wie Josef Joffe zum Beispiel, einen der Herausgeber der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“.

Am 4. Dezember 1997 erschien in der „New York Review of Books“ ein Essay Joffes, der damals Chefredakteur der „Süddeutschen Zeitung“ war. Der Titel war Programm: „The Euro: The Engine That Couldn't“. Joffe legte darin den Konstruktionsfehler der europäischen Einheitswährung schonungslos offen: „Der Euro ist eine politische Währung“, schrieb er. Die fiskalpolitische Koordinierung, zu der sich alle Länder verpflichten, die den Euro einführen wollen, „heißt in der echten Welt ,politische Union‘ oder ,Föderation‘ – etwas Ähnliches wie die Vereinigten Staaten“. Vereinigte Staaten von Europa: Das will so gut wie kein Europäer. „Hätten die Herren Kohl und Mitterrand diese Logik explizit gemacht, wäre der Euro sofort nach seiner Empfängnis gestorben“, schrieb Joffe.

Frag nach bei George Soros

Er war mit seiner Warnung nicht allein. Im November 2008, als sich Europas Führer auf die Jubelfeier anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Euro vorbereiteten und mit kaum verhohlener Häme auf die Finanzkrise in den USA blickten, grummelte George Soros in einem Washingtoner Seminarraum vor sich hin: „Die Krise legt den grundlegenden Mangel des Euro offen: Es gibt eine gemeinsame Notenbank, aber keinen gemeinsamen Finanzminister“, sagte der milliardenschwere Investor bei einer Tagung des Peterson Institute for International Economics.

Soros muss es wissen. Schließlich hatte er die Schwächen einer anderen faktischen Währungsunion – nämlich des Europäischen Wechselkursmechanismus – im Jahr 1992 mit einer gezielten Spekulation gegen das britische Pfund ausgenutzt.

Zwei Eurozonen in der Eurozone

13 Jahre versäumter fiskalpolitischer Koordinierung haben ihren Preis. Den zahlen zuerst die südlichen Länder der Eurozone, die es versäumt haben, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Und jetzt zahlen auch die Länder des Nordens in Form von Rettungspaketen wie jenem für Griechenland drauf.

Florence Jaumotte und Piyaporn Sodsriwiboon vom Internationalen Währungsfonds stellen das Auseinanderdriften in einem aktuellen Papier klar dar: Seit 1999 sind die realen Lohnstückkosten nördlicher Länder wie Deutschland oder Österreich im Schnitt um 7,6 Prozent gesunken. Im Vergleich dazu wurde der Faktor Arbeit in südlichen Ländern wie Griechenland oder Spanien um 25 Prozent teurer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2010)

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