Katalonien-Konflikt

Madrid und Barcelona wollen politische Eiszeit beenden

Spaniens Premier Sánchez (l.) und Kataloniens Regierungschef Torra.
Spaniens Premier Sánchez (l.) und Kataloniens Regierungschef Torra.(c) REUTERS (Albert Gea)
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Spaniens Premier Sánchez und Separatistenführer Torra haben bei einem Treffen einen runden Tisch vereinbart, um die Krise zu lösen – ein historischer Fortschritt. Die Neuwahlen in Katalonien könnten die Gespräche mit einem Sieg der Moderaten weiter beschleunigen.

Madrid. Nach über einem Jahr Funkstille bewegt sich wieder etwas in der Katalonien-Krise. Spaniens sozialistischer Regierungschef Pedro Sánchez und Kataloniens separatistischer Ministerpräsident Quim Torra trafen am Donnerstag in der katalanischen Regionalhauptstadt Barcelona zu einem Spitzengespräch zusammen, um die bisherige politische Feindschaft zu überwinden und einen Dialog über die Zukunft der rebellischen Region anzuschieben.

Wie angespannt die Lage ist, spiegelte sich in den heftigen Protesten wider, mit denen Sánchez in Barcelona begrüßt wurde. „Unabhängigkeit, Unabhängigkeit“, skandierten Demonstranten. Ein riesiges Sicherheitsaufgebot hielt sie auf Distanz. Im Herbst war es in Barcelona zu tagelangen Krawallen radikaler Separatistengruppen gekommen.

Das Treffen gilt als erster Schritt, um die politische Eiszeit zwischen Madrid und Barcelona zu beenden. Es ist zugleich ein Hoffnungsschimmer für die katalanische Bevölkerung, die durch den Unabhängigkeitsstreit in ein pro-spanisches und ein separatistisches Lager gespaltet wurde. „Heute ist ein wichtiger Tag für Katalonien und für Spanien“, sagte Sánchez nach dem Treffen. Der Dialog sei der einzig gangbare Weg, um diesen Konflikt zu lösen, erklärte Sánchez, der die Lösung der Katalonien-Krise zur Chefsache machte.

Er vereinbarte mit Torra, eine Verhandlungskommission zwischen der spanischen Staatsregierung und der katalanischen Regionalregierung einzurichten – eine Art runden Tisch. Ein historischer Fortschritt. Schnelle Ergebnisse sind aber nicht zu erwarten. „Wir werden viel Geduld benötigen“, sagte Sánchez. Das Klima wird belastet durch das harte Urteil gegen neun separatistische Politiker. Diese waren im Herbst wegen ihrer maßgeblichen Rolle bei einer illegalen Unabhängigkeitsabstimmung und Abspaltungserklärung zu langer Haft verurteilt worden.

Torra besteht auf eine Amnestie für die inhaftierten Separatisten. Und auf ein legales Referendum, in dem die 7,5 Millionen Katalanen verbindlich über die Unabhängigkeit ihrer Region entscheiden. Sánchez lehnt beides ab. In Sachen Referendum verweist er darauf, dass in der spanischen Verfassung die Einheit des Staats verankert sei. Stattdessen bietet Sánchez eine größere katalanische Selbstverwaltung unter spanischem Dach an.

Der Dialog wird auch dadurch erschwert, dass die Unabhängigkeitsparteien zerstritten sind. Die katalanische Regionalregierung, in der Torras kompromisslose Partei Junts per Catalunya zusammen mit dem moderateren Juniorpartner Esquerra Republicana sitzt, steht vor dem Ende. Torra musste deswegen Neuwahlen ankündigen.

Amtsverbot gegen Torra

Damit sind wohl auch Torras Tage als Ministerpräsident gezählt: Ein Gericht hat ihm jüngst wegen „Ungehorsams gegenüber dem Staat“ ein Amtsverbot auferlegt. Bei der kommenden Neuwahl kann er voraussichtlich nicht kandidieren.

Der Dialog mit Madrid könnte ohne Torra, der als Hardliner gilt, indes leichter werden. Erst recht, wenn – wie vorhergesagt – der gemäßigte Flügel der Separatisten, die Partei Esquerra, in der Neuwahl die Nase vorn hat.

Esquerras Parteichef Oriol Junqueras ging für seine separatistische Überzeugung ins Gefängnis. Zugleich geht aber offenbar mittlerweile davon aus, dass die Unabhängigkeit nur mit klaren Mehrheiten erreicht werden kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2020)

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