Hanau

Hanau: Neun Todesopfer mit Migrations­hintergrund

GERMANY-SHOOTING
GERMANY-SHOOTINGAPA/AFP/THOMAS LOHNES
  • Drucken

Nach der Gewalttat im deutschen Hanau weise vieles auf rechtsextremistische, rassistische Motive des Täters hin, sagte Bundeskanzlerin Merkel. Elf Menschen sind tot, darunter der Täter und seine Mutter.

Sie saßen gerade beim Essen in der Shisha-Bar in der deutschen Stadt Hanau, als das Feuer eröffnet wurde. Die drei türkischen Gäste waren laut Augenzeugenberichten die ersten Opfer des mutmaßlich rechtsextremen Täters, der am Mittwochabend neun Menschen getötet hat. Sechs weitere Personen wurden verletzt, eine davon schwer. Donnerstagfrüh teilte die Polizei mit, auch den mutmaßlichen Täter sowie seine Mutter tot in seiner Wohnung gefunden zu haben. 

Lokal-Besitzer Kemal Kocak sagte der Online-Ausgabe der Zeitung „Hürriyet“, der Todesschütze habe zunächst auf die drei türkischen Gäste gefeuert und danach auf den türkischen Kellner Gökhan G. Anschließend soll der Täter in den Stadtteil Kesselstadt weitergefahren sein, um in der „Arena“-Bar weitere Menschen zu töten.

Aus Sicherheitskreisen wurde bekannt, dass alle neun in den Lokalen getöteten Menschen Migrationshintergrund haben, mehrere von ihnen sind kurischer Abstammung. Fünf der Opfer waren türkische Staatsbürger, bestätigte der türkische Botschafter in Berlin. Bei einigen dürfte es sich um deutsche Staatsbürger handeln. Zudem haben zumindest vier der sechs Verletzten ausländische Wurzeln. Die Menschen, die starben, waren zwischen 21 und 44 Jahre alt. 

Merkel: „Rassismus ist ein Gift"

Kanzlerin Angela Merkel gab Donnerstagmittag eine Erklärung ab. Sie sei erschüttert über die Gewalttat und den Hass, den die Tat widerspiegle. Auch wenn es noch keine abschließende Klarheit gebe, weise derzeit alles darauf hin, dass der Täter aus rechtsextremen, rassistischen Motiven gehandelt habe, sagt sie in Berlin. „Rassismus ist ein Gift, der Hass ist ein Gift. Dieses Gift existiert in unserer Gesellschaft und es ist schuld an schon viel zu vielen Verbrechen.“

Auch der hessische Innenminister Peter Beuth hatte am Donnerstagvormittag bereits berichtet, dass Verdacht auf Terror sowie auf ein rechtsextremes Motiv des mutmaßlichen Täters bestehe. Darauf deute etwa eine Homepage hin, aus der sich ein vermutlich rechter Hintergrund ergebe.

>>> Was man über den mutmaßlichen Täter von Hanau weiß

Der Todesschütze ist ein 43-jähriger Deutscher aus Hanau. Nach Informationen der deutschen Tageszeitung „Welt“ war der mutmaßliche Attentäter von Hanau im legalen Besitz von drei Pistolen, darunter auch eine Kaliber 9 Millimeter. Entgegen anderslautender Berichte besaß er keinen Jagdschein, sondern hatte als Sportschütze eine Waffenbesitzkarte. Unklar ist bislang, inwiefern es sich dabei um eine der Tatwaffen handelt.

Der Mann war zuvor nicht im Visier der Ermittler. Er sei weder als fremdenfeindlich bekannt gewesen noch polizeilich in Erscheinung getreten, sagte Beuth im Wiesbadener Landtag. Er habe wohl allein gehandelt. "Bislang liegen keine Hinweise auf weitere Täter vor." Beuth verurteilte die Tat: "Es ist ein Anschlag auf unsere freie und friedliche Gesellschaft."

Täter und dessen Mutter tot aufgefunden

Nach der Tat sei der mutmaßliche Täter tot zu Hause aufgefunden worden. Auch seine Mutter wurde leblos dort entdeckt. Die Ermittler gehen demnach davon aus, dass der Mann seine 72-jährige Mutter und sich selbst erschossen hat. "Beide wiesen Schussverletzungen auf, die Tatwaffe wurde bei dem mutmaßlichen Täter gefunden."

Tote durch Schuesse in Hanau
Tote durch Schuesse in HanauAPA/dpa/Andreas Arnold

Der Generalbundesanwalt hat bereits in der Nacht die Ermittlungen wegen der besonderen Bedeutung des Falls übernommen. Grund sind die Hinweise auf eine ausländerfeindliche Motivation des mutmaßlichen Täters.

Video mit wirren Aussagen entdeckt

Wenige Tage vor dem Verbrechen hatte der mutmaßliche Täter nach Informationen aus Sicherheitskreisen ein Video bei Youtube sowie ein krudes Bekennerschreiben veröffentlicht. Das Schreiben ist offenbar gespickt mit rechtsradikalen Ansichten, in dem Video spricht der Mann in fließendem Englisch von einer "persönlichen Botschaft an alle Amerikaner". Der Clip, der am Donnerstagmorgen weiter im Internet zu sehen war, wurde offensichtlich in einer Privatwohnung aufgenommen, ins Netz gestellt wurde er vor wenigen Tagen.

>>> Attentäter von Hanau war deutschen Behörden offenbar bekannt

Darin sagt der Mann, in den USA existierten unterirdische Militäreinrichtungen, in denen Kinder misshandelt und getötet würden. Dort würde auch dem Teufel gehuldigt. Amerikanische Staatsbürger sollten aufwachen und gegen diese Zustände "jetzt kämpfen". Ein Hinweis auf eine bevorstehende eigene Gewalttat in Deutschland ist in dem Video nicht enthalten. Er behauptet auch, Deutschland werde von einem Geheimdienst gesteuert. Außerdem äußert er sich negativ über Migranten aus arabischen Ländern und der Türkei.

Police officers stand outside the Midnight Shisha bar after a shooting in Hanau
Police officers stand outside the Midnight Shisha bar after a shooting in HanauREUTERS

Tatorte nicht weit entfernt

Die ersten Schüsse fielen den Ermittlern zufolge am Mittwochabend gegen 22.00 Uhr. In einer Shisha-Bar am Heumarkt in der Hanauer Innenstadt. Es ist eine Gegend mit Spielhallen, Wettlokalen und Döner-Imbissbuden.

Nur rund zwei Kilometer, fast in Gehweite und mit dem Auto nur fünf Minuten entfernt, befindet sich im Stadtteil Kesselstadt der zweite Tatort. Es ist ein Wohnviertel. Am Kurt-Schumacher-Platz befindet sich im Erdgeschoß eines Wohnblocks eine Art Kiosk, auf einem Reklame-Leuchtschild steht "Arena Bar & Café". Der Blick ins Innere ist versperrt, die Scheiben sind teils halbhoch mit orangefarbener Folie beklebt. Auch die Wohnung des Täters ist nicht weit davon entfernt.

„Das war ein furchtbarer Abend“

"Die Gedanken sind heute Morgen bei den Menschen in Hanau, in deren Mitte ein entsetzliches Verbrechen begangen wurde", schrieb Regierungssprecher Steffen Seibert Donnerstagfrüh auf Twitter. "Tiefe Anteilnahme gilt den betroffenen Familien, die um ihre Toten trauern", fügte er hinzu. Seibert äußerte die Hoffnung, dass die Verletzten bald wieder gesund werden. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte wegen der Bluttat einen geplanten Besuch in Halle in Sachsen-Anhalt ab. Auch die hessische Landtagssitzung wurde frühzeitig beendet. Die Stadt München sagte eine für heute geplante Faschingsveranstaltung ab.

Der Hanauer Bürgermeister Claus Kaminsky (SPD) zeigt sich in einer Sondersendung von "Bild live" erschüttert über die Gewalttaten. "Das war ein furchtbarer Abend, der wird uns sicherlich noch lange, lange beschäftigen und in trauriger Erinnerung bleiben."

(red./APA/AFP/Reuters)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Police officers stand outside the Midnight Shisha bar after a shooting in Hanau
Deutschland

Schütze von Hanau hatte Kontakt mit Österreicher

Der Mann aus dem Bezirk Neunkirchen wird in dem 24-seitigem Manifest des Deutschen erwähnt. Er bestätigt den Mail-Kontakt, sei aber „froh", sich nicht darauf eingelassen zu haben.
Ein BMW, laut deutschen Medienberichten das Fluchtauto des mutmaßlichen Täters, wurde Donnerstagfrüh in Hanau abtransportiert.
Hanau

Was man über den Attentäter von Hanau weiß

Der Deutsche Tobias R. war Sportschütze, hatte angeblich BWL studiert. Er vertrat rechtsradikale Ideen - und verbreitete im Internet paranoide Verschwörungstheorien.
Hanau-Attentat

Seehofer erwägt Verschärfung des Waffenrechts

"Wenn die Ermittlungen hier ergeben, dass wir früher hätten eingreifen müssen, was den Waffenschein betrifft, dann müssen wir das ändern", sagte der CSU-Politiker.
Eine deutsche Flagge auf Halbmast am Bundestag in Berlin, zum Gedenken an die Opfer von Hanau.
Hanau

Soll AfD nach Hanau-Anschlag unter Beobachtung gestellt werden?

Die SPD pocht auf eine Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz. Diskutiert wird im Nachbarland zudem die Verschärfung des Waffenrechts. Kritik kommt aber auch aus der Türkei und Pakistan.
Hanau

Generalbundesanwalt bestätigt "Presse"-Bericht

Im November sei eine Anzeige des Täters eingegangen sein - Damals wurden keine Ermittlungen eingeleitet, da keine rassistischen Ausführungen enthalten waren

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.