Verfassungsreform

Putin könnte nach 2024 russischer Präsident bleiben

Putin hielt überraschend - zumindest für die Öffentlichkeit - eine Rede in der Duma.
Putin hielt überraschend - zumindest für die Öffentlichkeit - eine Rede in der Duma.via REUTERS
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Putin soll nach Annahme der neuen Verfassung erneut als Präsident antreten dürfen. Der Präsident ist mit dem Vorschlag einverstanden, solange das Verfassungsgericht dafür ist. Die Staatsduma billigte die Verfassungsreform.

Eigentlich wollte die Staatsduma am Dienstag nur über die von Wladimir Putin angestoßene Verfassungsänderung abstimmen, die Reform wurde schließlich angenommen. Doch dann passierte viel mehr. Die Ereignisse im russischen Parlament dürften jedoch nicht spontan gewesen sein, sondern trugen die Handschrift der Polittechnologen des Kreml.

Aber von vorne. Während der Debatte schlug die frühere Kosmonautin Valentina Tereschkowa, Abgeordnete der Regierungspartei Einiges Russland, plötzlich vor, dass Putin Kraft der neuen Verfassung noch einmal als Präsident antreten sollen dürfe. „Es ist notwendig, dass Putin in der Nähe bleibt“, sagte die 83-Jährige. Entweder solle man jegliche Amtsbegrenzungen entfernen, oder dem Amtsinhaber nach der Annahme der Verfassung die Möglichkeit geben, noch einmal von Null zu beginnen.

Putin hielt Rede

Daraufhin wurde die Sitzung von Parlamentspräsident Wjatscheslaw Wolodin unterbrochen, um die Meinung des Kreml einzuholen. Dann hieß es wenig später, dass Putin zu einer Ansprache im Parlament erwartet werde. Der Präsident, der eine vorbereitete Rede vortrug, äußerte sich positiv zu Tereschkowas Vorschlag, seine bisherigen Amtszeiten nach der Annahme der neuen Verfassung gleichsam zu annullieren - solange das russische Verfassungsgericht nichts dagegen einzuwenden habe.

Per derzeitigem Gesetz muss er 2024 nach zwei Amtsperioden endgültig abtreten. Als Legitimation für die Änderung gab er am Dienstag die Stabilität und Sicherheit an. Es würde die Zeit kommen, da Russlands Macht nicht mehr so „personifiziert“ sein müsse wie jetzt. Diese Zeit liegt offenbar in ferner Zukunft.

Tritt Putin bei der geplanten Präsidentenwahl 2024 an, dann könnte er bis 2036 an der Macht bleiben. Er wird dann 83 Jahre alt sein. Der Kreml-Chef sagte vor den Abgeordneten, der Vorschlag müsse vom Verfassungsgericht gutgeheißen und später von den Bürgern - wie die gesamte erneuerte Verfassung - in einer Befragung am 22. April bestätigt werden. Die Verlängerung seiner Macht kann Putin durch dieses Manöver auf formal gesetzliche Beine stellen. Nicht er persönlich hat den Vorschlag eingebracht, er reagierte nur auf einen „Wunsch“ der Bürger.

Erst im Jänner hatte Putin die Verfassungsänderung in Auftrag gegeben, die alte Regierung entlassen und den neuen Premierminister Michail Mischustin ernannt. Alle diese Vorgänge wurden in Russland bisher als Vorbereitung für einen Machttransit gedeutet. 2024 endet (nach zwei aufeinanderfolgenden Amtsperioden) offiziell Putins Präsidentschaft.

Doch kein Machttransit 2024?

382 Abgeordnete der Duma stimmten schließlich mit Ja, 44 enthielten sich und kein Parlamentarier stimmte gegen die Verfassungsreform. Viele Änderungen sind symbolischer Natur, wie etwa die Festschreibung der Ehe als Union zwischen Mann und Frau, der Erwähnung sozialer Sicherheiten, des „Schutzes der historischen Wahrheit“ und des Gedenkens an die Verteidigung des Vaterlandes.

Allerdings sind auch Verschiebungen im Institutionengefüge vorgesehen: So soll etwa die Rolle des Staatsrates aufgewertet werden. Das bisherige beratende Organ soll künftig den innen- und außenpolitischen Kurs vorgeben.

Russische Beobachter mutmaßten bisher, dass Putin nach seinem offiziellen Amtsabtritt 2024 in dem Rat eine bestimmende Rolle einnehmen könnte. Die konkrete gesetzliche Ausgestaltung ist noch unklar. Doch nun soll Putin offenbar auch die legale Möglichkeit eingeräumt werden, überhaupt im Amt zu bleiben. Er hat also mehrere Möglickeiten, auch nach 2024 das politische Leben in Russland zu bestimmen.

„Bis 2024 gibt es noch viel zu tun“, sagte er vor dem Verlassen der Duma und unter dem Applaus der stehenden Abgeordneten. „Und dann werden wir sehen."

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