Fehler können auch in Krisen vorkommen, nur wenn man sie abstreitet statt abstellt, wird es gefährlich.
Seit gestern, Montag, sind die weitreichenden Ausgangsbeschränkungen und das beinahe völlige Stilllegen des öffentlichen Lebens manifest und unübersehbar: Leere Straßen und Plätze, vor allem aber haben Lokale geschlossen. Nicht einmal am späten Nachmittag des 24. Dezembers erlebt man derartige Geisterstädte. Natürlich gibt es Ausnahmen, die die neuen Regeln bestätigen: Wiens Bürgermeister Michael Ludwig musste ernsthaft per Aussendung festhalten, dass Wiener die neue Ruhe bitte nicht für vermutlich aufgeschobene Amtswege nützen sollten. Denn tatsächlich hatten sich längere Schlangen bei den Bezirksämtern gebildet. Und immer wieder feiern Spaßvögel sogenannte Corona-Partys, etwa am Wochenende in den Weingärten bei Oggau im Burgenland, wie Bilder auf sozialen Medien zeigten. Verdutzte Spaziergänger wurden mit lustigem Husten begrüßt. Vermutlich haben diese Herrschaften ebenso wie die Wiener Amtsgeher ihre Hamsterkäufe schon abgeschlossen. Ansonsten scheint es mit der Schwarmdisziplin vorerst zu funktionieren. Bitte bleiben Sie zu Hause!
Die Situation ist ernst genug, am Wiener AKH werden bereits Schutzmasken und -mäntel knapp, eine positiv getestete Ärztin dürfte nach ihrer Rückkehr aus dem Tiroler Skigebiet am Arlberg, wo sie sich vermutlich angesteckt hatte, ganz normal gearbeitet haben. Ein internationaler Sportmedizinerkongress war in St. Christoph auf den Pisten unterwegs, alle reisten unbehelligt ab, einige sind mittlerweile positiv getestet.
Der absurde Auftritt des Gesundheitslandesrates Bernhard Tilg in der ZiB2 betonierte den Eindruck ein, den jeder vernünftige Beobachter schon hatte: Da sind schwere Fehler passiert. Noch selten zuvor in der TV-Geschichte wurde ein Mantra „Alles richtig gemacht“ so oft an den absurdesten Stellen vorgetragen. Dass es, nachdem in Ischgl ein Barkeeper in einer einschlägigen Apres-Ski-Einrichtung an Corona erkrankt war, Tage dauerte, bis das Lokal geschlossen wurde und weitere bis das Skigebiet endlich gesperrt wurde? Alles „richtig“ gemacht! Dass Touristen am Freitagabend nach Innsbruck gebracht wurden, die dort übernachten mussten, um am Samstag den gebuchten Flug zu erwischen und nicht etwa gleich nachts (mit dem Zug?) weiterfuhren? Alles „richtig“ gemacht. Fehler der Touristen! Vielleicht sollte Herr Tilg in Italien und im Iran aushelfen und dort auch erklären, dass die Behörden von Anfang alles „richtig“ gemacht hätten. Dort traut sich das übrigens keiner so zu sagen… Warum nicht die Wahrheit: Es waren Fehler in einer Krisensituation. Das kann vorkommen.
Lokale Tourismusverantwortliche hatten übrigens laut „Presse“-Informationen in der Landespolitik gegen einen frühzeitigen Saison-Abbruch interveniert und eine Ausbreitung damit bewusst in Kauf genommen. Wäre vielleicht eine kurze Besprechung in der Staatsanwaltschaft Innsbruck Wert, nein?
Dieser hässliche Fleck verunziert die weitgehend weiße Krisenweste, die Österreichs Regierung zu Recht trägt, deren Krisenmanagement wurde in mehreren deutschen Medien gelobt. Kein Wunder, es funktioniert wirklich erstaunlich gut. Und: Die deutschen Krisenmaßnahmen waren halbherzig und chaotisch, die einzelnen Bundesländer lieferten ein Exempel wie schlecht Föderalismus laufen kann. Deutschland zeigt, wie ein Land ohne klare politische Führung in einer Krise taumelt. Nun folgt Angela Merkel Österreich und anderen Ländern mit ähnlichen Maßnahmen.
Und noch eine Nachricht von der Medienseite: Zugang zum Pressefoyer des Ministerrats haben doch nicht nur je ein Vertreter der „Staatsmedien“ ORF und APA, sondern auch je ein Journalist der wichtigsten tagesaktuellen Medien. Gut.
Corona-Kolumne:
>>> Tag 1: Ausgangssperre, Ausgangsbeschränkung
>>> Tag 2: Wiener Amtswege, Tiroler Richtigkeit, Deutsche Spätzündung
>>> Tag 3: Diese Situation wird länger dauern und wie Platter Fehler einräumt
>>> Tag 4: Wiener Amtswege, Tiroler Richtigkeit, Deutsche Spätzündung