Agenten-Austausch: Fliegender Wechsel in Wien

Washington und Moskau haben zehn vor Kurzem aufgeflogene russische Agenten gegen vier West-Spione ausgetauscht. Die Übergabe wurde am Flughafen Schwechat vollzogen.

Der Agentenaustausch zwischen Russland und den USA ist offenbar am Freitag in Wien vollzogen worden. Ein russisches und ein US-amerikanisches Flugzeug landeten am Vormittag auf dem Flughafen Schwechat. Die beiden Flugzeuge wurden nebeneinander geparkt. Anschließend brachte ein schwarzer Van die Passagiere zu der jeweils anderen Maschine, wie Augenzeugen berichteten. Nach etwa 90 Minuten hoben beide Flugzeuge wieder ab.

Zehn vor kurzem aufgeflogene russische Spione hatten sich am Donnerstagabend vor einem New Yorker Gericht schuldig bekannt und waren anschließend ausgewiesen worden. Im Gegenzug begnadigte Russlands Präsident Dmitrij Medwedjew den angeblichen CIA-Agenten und Nuklear-Experte Igor Sutjagin sowie drei weitere Spione des Westens.

Die heimischen Behörden wissen von dem Austausch offiziell nichts. Innenministeriums-Sprecher Rudolf Gollia erklärte Freitagmorgen: "Das ist nicht unsere Geschichte. Daher kann ich weder bestätigen noch dementieren."

Wien war am Freitag Schauplatz des größten Agenten-Austausches zwischen den USA und Russland seit dem Ende des Kalten Krieges. Zehn russische Agenten wurden gegen vier West-Spione getauscht. (c) AP (Matthias Schrader)

Schon seit Donnerstag war spekuliert worden, dass der Austausch in Wien über die Bühne gehen könnte. Freitagmorgen dann erste konkrete Anzeichen auf dem Flughafen Schwechat: eine Maschine aus Moskau wird auf der Anzeigetafel angekündigt - mit Ankunftszeit "???". (c) AP (Ronald Zak)

Um 11. 15 landet dann eine kleine russische Militärmaschine und kurz darauf ein US-Charterflugzeug der Vision Airlines. (c) AP (Ronald Zak)

Die beiden Maschinen parken nebeneinander auf einem Terminal des noch in Bau befindlichen Skylink. (c) AP (Ronald Zak)

Über eine überdachte Gangway werden die Agenten aus den Flugzeugen geschleust. Schwarze Vans bringen sie zur jeweils anderen Maschine. (c) AP (Matthias Schrader)

Nach rund 90 Minuten ist der Austausch beendet: Beide Maschinen heben kurz nacheinander ab. (c) AP (Ronald Zak)

Deal auf höchster Ebene vereinbart

Der Austausch der Agenten soll auf höchster Ebene zwischen Medwedjew und US-Präsident Barack Obama abgesprochen worden sein. Die schnelle Rückkehr der russischen Agenten nach Moskau werde "durch den neuen Geist der russisch-amerikanischen Beziehungen und das hohe Niveau des gegenseitigen Verständnisses der Präsidenten beider Länder" möglich, verlautete aus dem Kreml. Vertreter beider Staaten hatten wiederholt erklärt, die Affäre werde sich nicht negativ auf die Beziehungen zwischen Moskau und Washington auswirken.

Es klingt wie ein Thriller aus Zeiten des Kalten Krieges: In den USA ist ein russischer Spionage-Ring aufgeflogen. Nur kurz darauf wurden die zehn Agenten in Wien gegen West-Spione ausgetauscht. Die meisten der russischen Spione führten ein unauffälliges Leben in der Vorstadt. (c) AP (Elizabeth Williams)

Zumindest für die Nachbarn war die Tarnung perfekt. Ein Nachbar jenes Paares, das sich in New Jersey als Richard und Cynthia Murphy ausgab, nannte sie "das personifizierte Vorstadtleben". "Cynthia Murphy" züchtete Hortensien, begleitete ihre Töchter zum Schulbus und schrieb Weihnachtskarten an ehemalige Nachbarn. (c) APN (Rich Schultz)

Geheimdienstexperten glauben an einen langfristigen Plan Moskaus: Unter Decknamen im gutbürgerlichen Milieu angesiedelt, sollten sich die Agenten langsam und geduldig an Kontaktpersonen heranarbeiten und Informationen sammeln. (c) AP (Shawn Cohen)

Auffälliger als die meisten anderen Festgenommenen agierte die 28-Jährige Anna Chapman. (c) APN

Sie war per Facebook vernetzt und stellte dort über 90 Fotos von sich ein: vor der Freiheitsstatue, im Ausland, in Schuluniform, in himmelblauer Spitzenkorsage mit Schmollmund und Schlafzimmerblick. (c) AP

Die Tochter eines russischen Diplomaten und Exfrau eines französischen Supermarkt-Erben gründete eine Immobilienfirma in New York. Sie wohnte im Finanzdistrikt von Manhattan, zeigte sich gerne im Designer-Outfit, ging in Clubs ein und aus, und wurde von manchen sogar für ein Callgirl gehalten. Gegenüber Bekannten verwickelte sie sich zuweilen in Widersprüche - für eine Spionin dürfte sie bisher dennoch niemand gehalten haben. (c) AP

Der Agenten-Austausch war der größte seit dem Kalten Krieg. In damaligen Zeiten wurden immer wieder Spione zwischen der Sowjetunion und dem Westen ausgetauscht. Schauplatz war häufig das damals geteilte Berlin.

(Ag./Red.)