Washington und Moskau wollten ihren „Neustart“ nicht durch elf ertappte Spione gefährden lassen.
WIEN (b. b.). Ganze zwölf Tage dauerte die jüngste amerikanisch-russische Spionageaffäre: von der Bekanntgabe der Verhaftung von elf russischen Agenten in den USA durch das FBI am 28. Juni bis zum gestrigen Austausch von zehn der Verhafteten gegen vier in Russland wegen Spionage für westliche Dienste verurteilte Russen. Zwölf Tage – eine absolute Rekordzeit für die Bereinigung einer solch hochsensiblen Angelegenheit.
Doch scheint für die meisten Beobachter klar: Die Schnelligkeit, mit der die Affäre beendet wurde, hatte vor allem damit zu tun, dass weder Amerikaner noch Russen den von US-Präsident Barack Obama eingeleiteten „Neustart“ in den Beziehungen von elf ertappten Spionen gefährden lassen wollten. Immerhin haben die beiden Staaten durch die jüngste Entspannung in ihrem Verhältnis schon einiges erreicht.
Hoffen auf US-Hilfe
Obama hat auf das von den Russen so gehasste Raketenabwehrsystem in Polen und Tschechien verzichtet, beide Staaten unterzeichneten im Frühjahr in Prag einen neuen Vertrag zur weiteren Reduzierung der strategischen Atomwaffenarsenale (Start), Moskau öffnete sich für Transporte zur sichereren Versorgung der Nato-Truppen in Afghanistan, Washington betreibt die Aufnahme der russischen Nachbarstaaten Ukraine und Georgien in die Nato nicht mehr mit missionarischem Eifer, Russland nimmt eine viele härtere Linie gegenüber dem Iran in der Atomfrage ein als früher, die USA geben sich als Fürsprecher für die baldige Aufnahme Russlands in die Welthandelsorganisation.
Vor allem aber hofft die russische Führung auch auf die Hilfe der Amerikaner bei der unumgänglichen Modernisierung des Landes: Russland braucht Investitionen, Know-how und Spezialisten aus dem Westen für dieses Programm, das die Zukunft des Landes nicht allein durch Rohstoffexporte sichern soll. Diesem Ziel diente ja auch vornehmlich Präsident Dmitrij Medwedjews USA-Reise Ende Juni.
Sabotage durch Falken?
Dass die US-Spionageabwehr ausgerechnet drei Tage nach dieser Werbetour Medwedjews den russischen Spionagezirkel auffliegen ließ, sorgte in Moskau für Verwirrung und Ärger. Mit einer Erklärung für das böse Treiben waren die Russen sofort zur Stelle: US-Falken in der republikanischen Partei hätten es nur darauf abgesehen, die von Obama und Medwedjew verfolgte Entspannung zu sabotieren. Auch gestern verlautete wieder aus dem Kreml: „Die Vereinbarung (über den Agentenaustausch, Red.) gibt Grund, darauf zu hoffen, dass der von den Spitzenrepräsentanten Russlands und der USA abgestimmte Kurs konsequent umgesetzt wird und dass die Versuche, beide Seiten von diesem Kurs abzubringen, erfolglos bleiben.“
Freilich ist nicht so klar, ob das Platzen der Spionageaffäre tatsächlich auf ein Störmanöver von Obama-Widersachern zurückzuführen war. Im Moment scheint die Sache jedenfalls ausgeräumt – bis die nächsten Agenten hüben oder drüben in die Netze der Spionageabwehr tappen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2010)