Frühjahrsprognose

EU-Kommission hofft auf Ende der Rezession mit Schrecken

Geht alles gut, endet der tiefe Absturz von Europas Konjunktur heuer. Doch die Gründe dagegen überwiegen.

Brüssel. Am Mittwoch legte die Europäische Kommission ihre Einschätzung der Folgen von zwei Monaten Coronapandemie vor. Dieser schwerste Absturz der europäischen Volkswirtschaften seit den 1930er-Jahren wird das Bruttoinlandsprodukt der gesamten Union um 7,4 Prozent schrumpfen lassen. Das sei „viel stärker als nach der Finanzkrise 2009“, wie Marten Verwey, der zuständige Generaldirektor in der Kommission, im Vorwort der Frühjahrsprognose schreibt.

Allein in den ersten drei Monaten des heurigen Jahres ist Europas Wirtschaftsleistung um 16 Prozent niedriger als in den drei Monaten unmittelbar davor. 2020 wird somit das ökonomisch schwärzeste Jahr in der Geschichte der EU, und die umfasst neben dem Finanzkrach vor einem Jahrzehnt auch die Ölkrise der frühen 1970er-Jahre. Und dabei haben die Ökonomen der Kommission bereits dem Umstand Rechnung getragen, dass „erwartet wird, dass die Aktivität angesichts der kürzlich begonnenen, schrittweisen Aufhebung der Einschränkungen wieder anzieht.“

Fataler ökonomischer Winterschlaf

Doch selbst wenn so weit wie möglich wieder uneingeschränkt gearbeitet werden darf, wird diese Corona-Rezession dauerhafte Kratzer im Lack des europäischen Wohlstandes hinterlassen. „Denn Arbeitnehmer, die sich Sorgen um ihre Beschäftigungsaussichten machen, werden dazu neigen, einen größeren Teil ihres Einkommens zu sparen, und Firmen, die vor einer Ungewissheit über ihre künftigen Umsätze stehen, werden Investitionen streichen oder verschieben“, warnt der Bericht. Allein heuer und im kommenden Jahr drohen um 850 Milliarden Euro weniger Investitionen getätigt zu werden, als die Kommission dies noch vor einem halben Jahr vermutet hatte. Das entspricht sechs Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung der Union.

Und selbst wenn dann alles glatt läuft mit dem Ausstieg aus diesem volkswirtschaftlichen „Winterschlaf“ (diesen Ausdruck verwendet die Kommission selbst, um die Lage zu illustrieren), werden die Europäer noch Ende nächsten Jahres wesentlich ärmer sein, als sie es unmittelbar vor Ausbruch der Pandemie waren. Sechs Prozent Wachstum erwartet die Kommission für 2021. Doch wer Prozentrechnen kann, weiß: Das reicht nicht, um die Corona-Rezession auszubügeln. „Dieser Aufschwung würde die europäische Ökonomie am Ende des Prognosehorizonts um ungefähr drei Prozent unter dem Niveau der Herbstvorschau lassen.“

Es droht ein U, kein V

Die Kommission hofft also auf ein Ende der Rezession mit Schrecken. Doch sie gibt zugleich zu bedenken, dass die Argumente für einen Schrecken ohne (zumindest baldiges) Ende überwiegen. Was würde zum Beispiel eine zweite Infektionswelle im Sommer oder Herbst bedeuten? Antwort: Zusätzliche drei Prozentpunkte Verlust.
Insofern wäre eine „sehr rasche, V-förmige Erholung in der Tat außergewöhnlich.“ Es drohe eine schrittweise, langsame, U-förmige Erholung, sprich: ein ökonomisches Jammertal.

Österreich mag sich damit trösten, verhältnismäßig weniger tief abzustürzen als andere Mitgliedstaaten. Doch das Beispiel der Niederlande sollte jenen zu denken geben, die nun meinen, der fiskalpolitisch strenge Norden Europas werde die Coronakrise besser durchtauchen als der laxe Süden: nur Italien, Spanien und die Niederlande sollen Ende 2021 ein im Vergleich zu 2019 um mehr als zwei Prozent dezimiertes BIP haben. Der Grund: die Niederlande sind besonders stark vom Handel mit dem Ausland abhängig – außerhalb, aber vor allem innerhalb der EU.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.