Streit um Lage in Wien

Hackers Groll über die fehlerhafte "Dashboard-Philosophie" der Regierung

CORONAVIRUS - AKTUELLE ENTWICKLUNGEN IN WIEN: LUDWIG / HACKER / CZERNOHORSZKY
CORONAVIRUS - AKTUELLE ENTWICKLUNGEN IN WIEN: LUDWIG / HACKER / CZERNOHORSZKYAPA/HANS PUNZ
  • Drucken

Die Corona-Statistiken sorgen für zunehmenden Zwist zwischen Bund und Wien. Gesundheitsstadtrat Peter Hacker ortet einen „dreckigen Vorwahlkampf“.

Die gesetzten Maßnahmen gegen das Virus sorgen für zunehmenden Zwist in politischen Reihen. Besonders zwischen Bund und Wien werden mehr oder weniger subtile Anschuldigungen laut. Gesundheitsstadtrat Hacker ortet bereits einen „dreckig geplanten Vorwahlkampf“. Nachdem die Bundesgärten geöffnet und die Diskussionen darüber verstummt sind, steht ein neues Thema im Zentrum des Zwists: die Corona-Statistiken.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sagte am Freitag, die Zahlen in der Bundeshauptstadt würden ihm „seit einer Zeit“ Sorgen bereiten. Denn dort seien in den vergangenen Tagen rund die Hälfte aller österreichweiten Neuinfektionen zu verzeichnen gewesen seien - nämlich 67 von 131 zwischen dem 4. und 7. Mai, hielt der Ressortchef in einem schriftlichen Statement fest. Am Rande einer heutigen Pressekonferenz konkretisierte er zwar, dass es auch in der Hauptstadt "gute Zahlen" gebe, aber eben die höchsten Zuwächse im Bundesländervergleich.

Gesundheitsstadtrat Hacker konterte bei einer zeitgleich stattfindenden Pressekonferenz hörbar verärgert. "Der macht sich Nüsse Sorgen um Wien. Wenn er seine Statistik ordentlich lesen würde, dann würde er sehen, dass im Vergleich der Landeshauptstädte Wien an drittletzter Stelle ist, was die Zahl der Infizierten insgesamt anbelangt", sagte der SPÖ-Politiker.

„Fehler in der Dashboard-Philosophie"

Der Umgang der Regierung mit Daten sei unseriös: „Ich habe es immer als kritisch angesehen, dass Daten der Labore eins zu eins in ein Dashboard hinausgeschossen werden“, sagte Hacker. Wenn etwa ein Labor die Testergebnisse von drei Tagen einmelde, würden die Zahlen unverhältnismäßig steigen. „Sie kommen uninterpretiert in die Öffentlichkeit.“ Und das, so Hacker, sei „der Fehler in der Dashboard-Philosophie des Bundes."

Wichtiger sei die längerfristige Betrachtung. Und hier sei die Entwicklung in Wien rückläufig - auch was die Covid-19-Patienten in Spitälern anbelangt. Bei einer Zwei-Millionen-Stadt mit täglich bis zu 2000 Tests seien tägliche Schwankungen von plus/minus 20 oder 30 "wirklich wurscht".

„Dreckig geplanter Vorwahlkampf"

Nehammer hatte außerdem erneut ein "Angebot" an Wien gerichtet, dass Kräfte des Landeskriminalamtes beim Containment unterstützen könnten. "Täglich grüßt das Murmeltier", so Hackers Antwort an das Innenministerium. "Wir haben die Frage besprochen und das Angebot dankend abgelehnt." Man habe ausreichend eigenes Personal. Außerdem könne er sich weiterhin nicht vorstellen, "dass wir Menschen, die sich eh Sorgen um die eigene Gesundheit und die ihrer Angehörigen machen, Polizisten in die Wohnungen schicken". Nachsatz: "Mir wäre es lieber, der Innenminister beschäftigt sich mit seiner Kernaufgabe."

Die Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Corona-Zentrum Messe Wien, wonach bei der Betreuung der vorrangig dort untergebrachten Bewohner eines evakuierten Flüchtlingsheims Chaos herrsche und es Fluchtversuche gegeben habe, sorgten ebenfalls für Ärger bei Hacker. Das gehöre wohl zu den "Merkwürdigkeiten dieses offensichtlich sehr dreckig geplanten Vorwahlkampfes". Es sei "unerträglich, was da im Augenblick auch vom Innenminister an Gerüchten in die Welt gesetzt wird“, nahm Hacker Bezug auf eine kürzliche Falschmeldung, wonach einige untergebrachte Flüchtlinge abgängig gewesen sein sollen.

Der Stadtrat stichelte außerdem in Richtung Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). "Ich gehe davon aus, dass der Bundeskanzler seine besondere Freude über die Situation in der Bundeshauptstadt im Vergleich zu allen Millionenstädten in Europa zum Ausdruck bringt. Das wäre angebracht. Wir sind mit Abstand die Millionenstadt in ganz Europa mit der geringsten Zahl an Erkrankten und jener der Patienten im Spital."

Opposition vermisst Transparenz

Auch von der Wiener Opposition wird Kritik an der Stadtregierung laut: Sie hat kürzlich im Gemeinderat eine regelmäßige Berichterstattung und mehr Transparenz über die Wiener Coronavirus-Hilfsmaßnahmen von Wirtschafts- und Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) verlangt. Nach dem heutigen Finanzausschuss zeigte man sich aber enttäuscht.

Denn es sei kein Bericht im Ausschuss vorgelegt worden, obwohl das im Gemeinderat zugesagt worden sei, teilte der nicht amtsführende ÖVP-Stadtrat Markus Wölbitsch mit. "Wir verlangen ausgeweitete Budgetberatungen. Wie in anderen Bundesländern und auf Bundesebene üblich muss die Opposition eingebunden werden", sagte Wölbitsch.

Die FPÖ erinnerte an die rund 20 Millionen Euro an direkter Krisenhilfe bzw. Unterstützung von Home-Office-Arbeitsplätzen. Die Bereitschaft, Wiener Unternehmen unter die Arme zu greifen, unterstütze man, versicherte die nicht amtsführende FPÖ-Stadträtin Ulrike Nittmann: "Dennoch müssen Stadtparlamentarismus und Transparenz, was mit dem Geld passiert, gewahrt bleiben.“ Mit der Förderung über die Wirtschaftsagentur und die Wirtschaftskammer würde nämlich der Gemeinderat umgangen und das Interpellationsrecht der Abgeordneten ausgeschaltet, so Nittmann.

(APA/red.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

CORONAVIRUS: PK 'HAeUSLICHE GEWALT' - RAAB/NEHAMMER
ÖVP vs. Wien

Streit um Corona-Cluster: Jetzt will auch Susanne Raab Wien "unterstützen"

Die Integrationsministerin spricht von "signifikant vielen Fällen" in städtischen Flüchtlingsheimen. Kritik an der Bundes-ÖVP kommt abermals aus Wien.
PK 'KRIMINALITAeT UND AKTUELLES ZUM CORONA-VIRUS': NEHAMMER
Corona

Nehammer und Hacker - ziemlich beste Feinde

Der türkise Innenminister und Wiens roter Gesundheitsstadtrat decken einander mit Vorwürfen ein. Wer hat recht?
Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne)
Schlagabtausch

Wien vs. Innenministerium: Anschober mahnt Zusammenhalt ein

Der Gesundheitsminister lädt das Innenministerium zur gemeinsamen Arbeitssitzung, um das Vorgehen hinsichtlich des „Corona-Clusters“ Wien-Niederösterreich zu beraten.
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ)
Corona-Streit

Ludwig fordert Ordnungsruf von Kurz für Nehammer

Wiens Stadtchef kritisiert den Innenminister als "selbst ernannte Flex des Bundeskanzlers“ und betont: Man werde sich diesen Umgang nicht gefallen lassen.
++THEMENBILD ++ POST AG: WEIHNACHTSPOST PAKETZENTRUM
Streit um Corona-Cluster

Sozialpartner kritisieren "Unwahrheiten" über Leiharbeiter

Zeitarbeiter seien arbeits- und sozialrechtlich größtenteils dem Eigenpersonal gleichgestellt, beteuern Arbeitgeber und Gewerkschaft.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.