Kolumne zum Tag

In Filmen, Medien oder sonst wo: Persönliche Betroffenheit ändert alles

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Spike Lee lag richtig. Der Film „Ali“ über das Leben des Boxers Muhammad Ali hätte von einem schwarzen Regisseur inszeniert werden sollen.

Vor 20 Jahren, als bekannt wurde, das Leben von Muhammad Ali wird mit Will Smith in der Hauptrolle verfilmt, setzte sich Spike Lee vehement für einen schwarzen Regisseur ein. Mit der Begründung, nur eine schwarze Person könne das Innenleben eines Mannes wie Ali in all seinen Facetten verstehen und seine Geschichte erzählen. Er selbst war ebenfalls im Gespräch, geworden ist es schließlich der weiße Michael Mann. Ihm wurde eher zugetraut, einen massentauglichen Film ohne zu viele politische Zwischentöne zu drehen. Auch Will Smith machte sich angeblich für ihn stark.  

Viele Cineasten, auch dieser hier, hielten Lees Kampagne für unangebracht. Denn warum soll sich nur ein Schwarzer in einen Schwarzen hineinversetzen können? Nur ein Mann in einen Mann? Nur eine Frau in eine Frau? Nur ein Gläubiger in einem Gläubigen? Im Vordergrund darf doch nicht die Hautfarbe, das Geschlecht oder die Religion stehen, viel wichtiger sind Fantasie, handwerkliche Fähigkeiten und die Herangehensweise an einen Stoff. Oder? Vielleicht ist es sogar ein Vorteil, von einer Geschichte emotional weit genug entfernt zu sein, um sie unvoreingenommen zu inszenieren, anstatt sie durch persönliche Betroffenheit falsch zu gewichten und den Identifikationsfaktor für das Publikum einzuschränken. Genau so argumentierte die Mehrheit damals. Eine Mehrheit, die heute, 20 Jahre Lebens- und Berufserfahrung später um mindestens eine Person, und zwar um diese hier, kleiner geworden ist.

Denn Spike Lee hatte recht. Persönliche Betroffenheit und die damit verbundenen Einblicke in eine Community oder ein Milieu sind niemals ein Defizit, sondern immer eine Bereicherung. Und das in allen Lebensbereichen – die Einhaltung branchenüblicher Regeln, ethischer Grundsätze und gesellschaftlicher Konventionen vorausgesetzt. Weswegen es, um nach diesem etwas weiten Ausholen zum Punkt zu kommen, in Österreich viel mehr Journalisten mit Migrationshintergrund braucht, die so manche aktuelle Entwicklung besser verstehen und erklären können. Sie müssen gezielt rekrutiert und gefördert werden. Nicht als Gefallen oder Wohltätigkeit, sondern als Investition, die sich lohnen wird.

Emails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

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