Belarus

Lukaschenko: "Vielleicht bin ich ein wenig zu lange geblieben"

Russische Medievertreter interviewten den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko in Minsk.
Russische Medievertreter interviewten den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko in Minsk.via REUTERS
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Der weißrussische Präsident lässt in Interviews mit russischen Medien zwar einen Kurswechsel durchblicken, bleibt der Opposition gegenüber aber unnachgiebig. „Alles, was sie anbietet, ist eine Katastrophe für Belarus.“

Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko hat nach russischen Medienberichten eingeräumt, dass er womöglich etwas zu lange an der Macht sei. "Ja, vielleicht bin ich ein wenig zu lange geblieben", sagte Lukaschenko laut Nachrichtenagentur Tass am Dienstag in einem Interview mit mehreren russischen Medien. Er sei aber die einzige Person, die in der Lage sei, das Land derzeit zu schützen. Laut einem russischen Journalisten von Moscow Talks machte Lukaschenko deutlich, dass er ungeachtet der Massenproteste in seinem Land nicht zurücktreten werde. Ifax zufolge schloss Lukaschenko vorgezogene Präsidentschaftswahlen nicht aus. Laut Ria sagte Lukaschenko, vorgezogene Wahlen könnten nach einer Verfassungsreform stattfinden.

Der Ausgang der jüngsten Präsidentenwahl vom 9. August mit der Bestätigung Lukaschenkos im Amt hatte zu Massenprotesten geführt. Der 66-Jährige regiert die früher als Weißrussland bezeichnete Ex-Sowjetrepublik seit 1994 mit harter Hand. Die Opposition wirft ihm Wahlbetrug vor.

„Das ist keine Opposition"

Gespräche mit der Opposition lehnte der autoritäre Staatschef weiter ab. "Das ist keine Opposition. Alles, was sie anbietet, ist eine Katastrophe für Belarus", sagte Lukaschenko mehreren russischen Staatsmedien. Seine Gegner wollten die "Verbindungen zum brüderlichen Russland" abbrechen, behauptete der 66-Jährige. Minsk wolle dagegen eine weitere Integration mit Moskau. Beide Länder hatten in einem Vertrag für einen Unionsstaat bereits vor 20 Jahren eine engere Zusammenarbeit verabredet.

Die Opposition will über einen Koordinierungsrat einen friedlichen Machtwechsel durch Dialog erreichen. Dessen Vertreter hatten der autoritären Führung mehrfach Gespräche angeboten. Zudem wolle das Gremium weiter mit Russland zusammenarbeiten.

Tichanowkaja: „Brauchen Druck auf dieses Regime"

Die im Exil lebende Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja hat unterdessen Sanktionen und mehr internationalen Druck auf Lukaschenko gefordert. "Mein Land, meine Nation, mein Volk brauchen jetzt Hilfe", sagte Tichanowskaja am Dienstag in einer Videoschaltung mit einem Ausschuss des Europarats.

"Wir brauchen internationalen Druck auf dieses Regime, auf dieses eine Individuum, das verzweifelt an der Macht festhält", so Tichanowskaja über Lukaschenko. Es müsse Sanktionen gegen die kriminellen Anordnungen der Regierung erlassen werden, so die 37-Jährige, die gegen den Staatschef kandidiert hatte und sich nun im EU-Land Litauen aufhält.

Oppositionsführer würden in Weißrussland unter erfundenen Vorwürfen festgenommen, eingeschüchtert, bedroht und aus dem Land vertrieben, sagte Tichanowskaja. "Hunderte von Menschen werden eingesperrt, vergewaltigt und geschlagen. Das sollte in Europa nicht die Norm sein", sagte Tichanowskaja. Sie forderte die sofortige Freilassung aller politischer Gefangener. Ihre Mitstreiterin, die Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa, sei entführt worden, sagte Tichanowskaja. Wenig später wurde bekannt, dass Kolesnikowa unter noch unklaren Umständen zur ukrainischen Grenze gebracht wurde.

Seit einem Monat Proteste

Die politische Krise in Belarus dauert seit der Präsidentenwahl vor einem Monat an. Lukaschenko hatte sich mit 80,1 Prozent der Stimmen zum Sieger erklären lassen. Die Wahl steht international als grob gefälscht in der Kritik.

Gegen den Staatschef gibt es seit der Wahl täglich Proteste. Von den Aktionen fühle er sich "menschlich beleidigt", sagte der Präsident in dem Interview. Ein Teil der Bevölkerung habe aber vergessen, wie das Land noch vor 20 Jahren ausgesehen hatte.

(APA/Reuters/dpa)

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