Gastbeitrag von Heinz Fischer

Happy Birthday, Bundesverfassung

(c) Peter Kufner
  • Drucken

Auch hundert Jahre später muss man es als politisches Wunder bezeichnen, dass 1920 dieses Verfassungsprojekt von einer Übergangsregierung und knapp vor einer Nationalratswahl unter Dach und Fach gebracht wurde.

Es war am 29. September 1920, also fast genau vor hundert Jahren, als Präsident Karl Seitz – der spätere langjährige Bürgermeister von Wien – die 100. Sitzung der konstituierenden Nationalversammlung im Parlament eröffnete. Auf der Tagesordnung stand der „Bericht des Verfassungsausschusses betreffend ein Gesetz, womit die Republik Österreich als Bundesstaat eingerichtet wird (Bundes-Verfassungsgesetz)“.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

>>> Mehr aus der Rubrik „Gastkommentare“

Auf der Regierungsbank hatten die Mitglieder einer Übergangsregierung Platz genommen, an deren Spitze (nach dem Rücktritt der Regierung Renner/Fink) der wenige Wochen vorher als „Vorsitzender im Kabinett“ gewählte Staatssekretär Michael Mayr stand. Auf der Beamtenbank saßen die Spitzenjuristen Hans Kelsen, Ministerialrat Georg Froehlich und Ministerialvizesekretär Adolf Merkel, die zwei Jahre später gemeinsam auch den ersten Kommentar zur Bundesverfassung von 1920 verfasst und herausgegeben haben. Die Debatte wurde vom Berichterstatter Ignaz Seipel in sehr ausführlicher und sachkundiger Weise eingeleitet, wobei der Berichterstatter auf die großen Schwierigkeiten einging, die bei der Ausarbeitung einer neuen Bundesverfassung überwunden werden mussten. Gleichzeitig entschuldigte er sich dafür, dass aufgrund mancher unüberwindbarer Meinungsverschiedenheiten, aber auch aufgrund des Zeitdrucks der vom Verfassungsausschuss erarbeitete Text noch Lücken und Mängel „von nicht geringer Gewichtigkeit“ aufweist, insbesondere, was das Fehlen eines zeitgemäßen Grundrechtskatalogs betrifft, sowie die noch immer ungelösten Probleme im Bereich der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, im Bereich der Finanzverfassung, im Bereich des Schul- und Bildungswesens und bei einigen anderen Streitpunkten, für die Übergangsregelungen gefunden werden mussten.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

GESUNDHEITSAUSSCHUSS DES NATIONALRATES ZU CORONAGESETZEN MIT OeFFENTLICHEM EXPERTENHEARING
Die Grundrechte

Diese Prinzipien sind sogar für das Parlament tabu

Mitsprache des Volkes. Die wichtigsten Grundsätze der Verfassung lassen sich nur mit Billigung durch eine Volksabstimmung ändern.
Die Verfahren

Wie hinter den Kulissen Entscheidungen reifen

Von der Einbringung einer Beschwerde bis hin zur Entscheidung – die Verfassungsrichter haben tatkräftige Mithilfe: 45 verfassungsrechtliche Mitarbeiter steuern ihr Wissen bei.
Karoline Edtstadler
Ministerin Edtstadler…

„Lebensschutz nicht leicht aufs Spiel setzen“

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler geht von einer „balancierten Entscheidung“ des VfGH zur Sterbehilfe aus. Falls nötig, könne man für die Sicherungshaft die Verfassung ändern. Von einem Mehrheitswahlrecht hält sie nichts.
Elisabeth Holzleithner
Trennung von Recht und…

Warum der Verfassung „die Würde“ fehlt: Rechtsphilosophin Holzleithner im Interview

Die Juristin und Rechtsphilosophin Elisabeth Holzleithner erklärt, inwiefern Verfassungsrechtsprechung „angewandte Moral“ ist, warum die Menschenwürde sowohl für als auch gegen eine Liberalisierung bei der Suizidbeihilfe  spricht und wieso auch ein „trockener" Text ästhetisch sein kann.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.