Lastwagenbauer MAN treibt die geplante Schließung des Werks in Steyr mit mehr als 2300 Mitarbeitern voran. Der Betriebsratschef in Steyr setzt auf Gespräche und neue Verträge.
Der Lkw- und Bushersteller MAN kündigt die Beschäftigungssicherungs- und Standortverträge für die Werke in Deutschland und Österreich (Steyr) aus wirtschaftlichen Gründen zum 30. September. Sollten sich Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite bis Ende 2020 bei in Kürze beginnenden Gesprächen auf eine Neuausrichtung von MAN einigen, könnten abhängig vom Verhandlungsergebnis die Sicherungsverträge ganz oder teilweise wieder in Kraft gesetzt werden, teilte MAN am Dienstag mit.
Von der jetzigen Kündigung seien auch die übertariflichen Leistungen betroffen, die ebenfalls mit diesem Vertragswerk zusammenhängen würden. Sollte es bis Jahresende keine Einigung geben, würden die Vereinbarungen gemäß ihrer individuellen Fristen zum Jahresende oder im Jahr 2021 auslaufen, hieß es in einer Presseaussendung. Personalvorstand und Arbeitsdirektor Martin Rabe war sich sicher, dass "wir sehr zeitnah zu konstruktiven und zielgerichteten Verhandlungen kommen können." Trotz der Aufkündigung der Sicherungsverträge sei man dennoch entschlossen, die Neuausrichtung des Unternehmens so sozialverträglich wie möglich zu gestalten.
Der Standortsicherungsvertrag, der den Bestand des Unternehmens in Steyr bis 2030 sichern sollte, sei mit Vorsicht zu genießen, hatte Elias Felten, Vorstand des Instituts für Arbeits- und Sozialrecht an der Linzer Johannes Kepler Universität, bereits in einem Gespräch mit der APA gesagt. Die Gefahr sei groß, dass dann im Ernstfall keine Ansprüche daraus ableitbar seien. Er kenne den konkreten MAN-Vertrag nicht, betonte Felten, allerdings sieht er ihn mit Vorbehalt: So müsse erst einmal geklärt werden, ob es sich tatsächlich um einen rechtsgültigen Vertrag handelt. Denn der Betriebsrat könne juristisch gesehen nur bei einer Betriebsvereinbarung bzw. einem Sozialplan mitbestimmen.
Betriebsrat zuversichtlich
"Kämpferisch und auch zuversichtlich", gab sich der MAN-Arbeiter-Betriebsratschef in Steyr, Erich Schwarz. Er sah als ersten Schritt rechtliche Maßnahmen. Unter dem Gesichtspunkt, dass die Standort- und Beschäftigungssicherungsverträge in München im Dezember 2018 und in Steyr ein Jahr darauf unterschrieben wurden, müsse man fragen ob das kündbar sei und ob MAN mit der Klausel aussteigen dürfe.
"Wir könnten streiken, aber ob uns da geholfen ist, weiß ich nicht." Es gelte in den kommenden Gesprächen auszuloten, "inwieweit ist der Vorstand bereit, Änderungen herbeizuführen", sagte Schwarz zur APA. Freilich sei man unter Druck, morgen und am Freitag seien Aufsichtsratssitzungen, dann werde beratschlagt, wie die Arbeitnehmervertreter vorgehen. Die Aufkündigungen seien konzernweit angelegt, es gelte eine Restrukturierung einzuleiten, es gehe um neue Antriebstechnologien, den Klimawandel. "Darum wurden so drastische Schritte eingeleitet, die meiner Meinung nicht zielführend sind".
"Wenn wir die Werksschließung abwenden können - und davon gehe ich aus - muss man sagen, in welchem Umfang was wo produziert werden wird." Es brauche dann einen Restrukturierungsvertrag und einen neuen Standort- und Beschäftigungssicherungsvertrag. Der ganze Konzern sei in sich sehr abhängig. Wenn in Steyr oder in München einen Tag nicht produziert werde, "steht die ganze MAN", so Schwarz.
Konzernweites Sparprogramm
Die mögliche Werksschließung in Steyr gehört zu einem Mega-Sparprogramm, das den Abbau von insgesamt 9500 Stellen vorsieht. Anhand der Detailpläne, die Schwarz nun vorliegen, sei aber auch weltweit die Schließung von knapp 50 Service-Niederlassungen für Lkw vorgesehen. Dies hieße, zusätzlich zu den 9500 Beschäftigten würden noch 1300 weitere ihren Arbeitsplatz verlieren.
Die Entwicklung und Produktion von Nutzfahrzeugen in Steyr hat eine mehr als 100-jährige Tradition. Das Werk in Steyr wurde 1914 fertiggestellt, 1919 begann die Lkw-Produktion, 1999 übernahmen die Oberösterreicher die gesamte Lastwagen-Fertigung der leichten und mittleren Baureihe von MAN. Das sind Fahrzeuge mit zwei oder drei Achsen, auch mit Allradantrieb ausgestattet, mit 150 bis 340 PS und einem Gesamtgewicht zwischen 7,5 bis 26 Tonnen. Darüber hinaus werden in Steyr auch Sonderfahrzeuge sowie Komponenten für den Produktionsverbund des Konzerns gebaut, beispielsweise Fahrerhäuser. Auch Forschung und Entwicklung werden an diesem Standort betrieben. Zuletzt gab es zudem eine Kleinserie von E-Trucks.