US-Wahlkrimi

Briefwahl-Thriller: Alles hängt am Ende an Pennsylvania

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Erwartungsgemäß wird sich die Wahl in der Region um die großen Seen entscheiden, insbesondere in hart umkämpften Pennsylvania. Die Auszählung der Briefwahlstimmen entwickelt sich zum Krimi.

In der Wahlnacht war es zunächst merkwürdig ruhig im Lager der beiden Kandidaten. Im Weißen Haus dominierte zunächst Jubelstimmung, bei den Demokraten machte sich zunehmend Unruhe und Nervosität angesichts eines Wahlabends breit, der sich zu einem Krimi entwickeln sollte. Rund eine halbe Stunde nach Mitternacht (Ortszeit) empfing dann ein Hupkonzert Joe Biden auf einem Parkplatz in Wilmington, seinem Wohnort in Delaware im Nordosten der USA. Der 77-Jährige erschien mit seiner Frau Jill auf der Bühne. Es ging ihm darum, einerseits Zuversicht zu demonstrieren und seine Anhänger auf eine Geduldsprobe einzuschwören und andererseits, einer möglichen Siegesrede des Präsidenten zuvorzukommen.

Der Wahlabend verlief nicht nach Wunsch des Biden-Teams: Es gelang keine Überraschung in Florida und North Carolina, einzig in Arizona. Jetzt blieb ihm nur ein kleines Wunder im Mittleren Westen und eine Wende nach Auszählung der Briefwahlstimmen. „Wir müssen Geduld haben, Leute. Wir müssen warten, bis jede Stimme gezählt ist. Es wird vielleicht ein wenig länger dauern. Aber wir werden in Pennsylvania gewinnen.“ Um sich nach seinem knappen Statement mit einem Leitspruch seiner Großmutter in die Nacht zu verabschieden: „Seid stark im Glauben – und verbreitet ihn.“

„Mit der Gnade Gottes"


Die Hilfe Gottes hatte der irischstämmige Katholik schon zu Beginn des Wahltags gesucht, als er erst das Grab seines Sohns Beau besuchte sowie das seiner ersten Frau Nelia und seiner Baby-Tochter und später einen Gottesdienst. Schließlich begab er sich nach Scranton, seiner Geburtsstadt in Pennsylvania, wo er im Alter von zehn Jahren mit seiner Familie weggezogen ist. „Aus diesem Haus ins Weiße Haus, mit der Gnade Gottes“, schrieb er auf eine Wand.

Biden musste seine Hoffnungen auf seinen Geburtsstaat Pennsylvania setzen: Am Ausgang in einigen Wahlkreisen, im Allegheny County um Pittsburgh und in Philadelphia und seinen Vorstädten, hingen seine Chancen, Donald Trump als Präsident abzulösen. Er hoffte auf ein Szenario wie in Virginia, wo sich nach Auszählung der Briefwahlstimmen in dem urbanen, demokratisch dominierten Regionen das Blatt wendete und Biden den frühen Vorsprung Trumps wettmachte und ihn am Ende überflügelte.

Trumps Argwohn

In den beiden Wahlbezirken lag zunächst kein Endergebnis vor. Wegen der Coronapandemie und der riesigen Anfrage für die Briefwahl gewährten die Gerichte dem Bundesstaat eine Frist von drei Tagen, die am Freitag endet. Der Oberste Gerichtshof bestätigte – im Gegensatz zu anderen Bundesstaaten – die Ausnahmeregelung. Tom Wolf, der demokratische Gouverneur, appellierte an die Geduld der Bürger.

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Der Präsident monierte prompt, die Demokraten würden ihm den Sieg stehlen. Nach der Auszählung von zwei Dritteln lag er mit rund 700.000 Stimmen voran. Trump hatte in Pennsylvania mit einem Vorsprung von weniger als einem Prozentpunkt 2016 gegen Hillary Clinton gewonnen, obwohl auch sie sich stark auf den Staat konzentriert hatte – am Ende mit einem Auftritt vor 30.000 Zuschauern in Philadelphia an der Seite von Barack Obama und Bruce Springsteen.

Sowohl Trump wie Biden tourten im Endspurt durch Pennsylvania, der von einem urbanen Osten und einem ländlichen Westen geprägt ist. Um Chancen für einen Wahlsieg zu haben, müssen die Demokraten vor allem die afroamerikanischen Wähler rund um Philadelphia mobilisieren. Noch am Wahltag war Biden in die Metropole gereist, um vor einer Kirche zu werben. Donald Trump hat mit seinen Kundgebungen im Endspurt stark aufgeholt und seine Anhänger zur Wahl motiviert. Beide Kandidaten wussten, wenn es hart auf hart kommen würde, würde es auf Pennsylvania mit seinen 20 Wahlleuten ankommen. Sie sollten recht behalten.

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