Mit Rosen in Einschusslöchern, Briefen an Opfer und Hinterbliebene, einem Blumen- und Lichtermeer und einem stillen Gedenkmarsch gedenkt Wien der Opfer. Und demonstriert unbeugsame Einigkeit.
Wien. Es gibt Phasen der Trauer, der Bewältigung – und was dieser populären Theorie nach für jeden Einzelnen gilt, so gibt es solche Phasen offenbar auch für eine ganze Stadt. Nirgendwo liegen diese Stimmungen, diese Phasen so dicht in der Luft wie dort, wo am Montagabend ein Terrorist vier Menschen erschoss.
Auf die hoch angespannte Stille des Morgens danach folgte ungläubiges Entsetzen: Am Dienstagabend, als die Zugänge zu den Tatorten von der Polizei freigegeben wurden, als Blut am Boden, Einschusslöcher in Hausmauern und die noch vollen Gläser auf fluchtartig verlassenen Schanigärten-Tischen greifbar machten, dass das Unfassbare wirklich geschehen ist.
Eineinhalb Tage später hat sich eine schwere, traurige Stille über diesen Ort gelegt. Betritt man das Ruprechtsviertel, wird es still. Schweigen, gerötete Augen, ein Innehalten, eine tiefe Betroffenheit, die vielen aus dem Gesicht spricht. Zu deutlich sind die Spuren des Terrors zu sehen. C1, E 17, E 18, E 21, in Neonfarben haben Kriminalisten Spuren am Boden markiert, die Zeichen durchziehen das Viertel wie die Einschüsse. Die Kugeln aus der automatischen Waffe des Täters haben tiefe Treffer in alten Mauern hinterlassen, neben Einschüssen in Glas kleben Markierungen, mit denen die Polizei diese millimetergenau vermessen hat.
In viele dieser Löcher haben Besucher mittlerweile Rosen gesteckt, auch die unmittelbaren Tatorte säumen Blumen und Lichter, am höchsten liegen die Rosen dort übereinander, wo zuvor noch Blutspuren zu sehen waren. Herzen und Peace-Zeichen aus Lichtern, Trauerkarten, Kuverts, Briefe und Botschaften an die Opfer, an ihre Hinterbliebenen, die Anteilnahme ist groß. Viele sind gekommen, von offiziellen Vertretern bis zu Kindern, die Zeichnungen und Basteleien abgelegt haben bis zu Rapid-Fans, die einen Kranz mit „Block West“-Trauerflor gebracht haben.
Am Donnerstag zu Mittag trafen sich Spitzenvertreter der Religionen zu einem Trauermarsch. Dutzende Menschen, begleitet von etlichen Medienteams – trotzdem ist es völlig still, als der Tross von einem Tatort zum nächsten, von einer Insel aus Blumen, Kerzen und Tatspuren zur nächsten zieht.
Bis zum Schwedenplatz, wo die Religionsvertreter ihrer Betroffenheit Ausdruck verleihen – welcher Konfession sie auch angehören, ihre Worte klingen ähnlich. Viel ist von Zusammenhalt, von Nicht-spalten-Lassen, von Solidarität die Rede – und davon, dass es Hass und Gewalt im Namen einer Religion niemals geben könne.
Dieses demonstrative Nicht-Auseinanderdividieren lassen ist eine der starken Botschaften in diesen ersten Tagen nach dem Terror.
„#Hateisnotnormal“, „Liebe ist stärker als Hass“, „Our religion is love“, „Wir stehen zusammen“, diese Worte haben Besucher auf Zettel und Schilder geschrieben und an Tatorten hinterlassen, so wie hunderte, tausende Kerzen und Blumen – eine einzelne weiße Kerze steht auch dort, wo der Attentäter erschossen wurde.