Der Anschlag wurde „definitiv“ von einer Person begangen, allerdings könnte es Mittäter geben. 21 Verdächtige sind bekannt, davon sitzen 10 bereits in U-Haft.
Es gibt neue Informationen zu den Hintergründen des Anschlags in Wien. Die Polizei geht weiter davon aus, dass der Attentäter K.F. "keinen unmittelbaren Mittäter" hatte, allerdings könnten ihm eine Reihe von Mittätern geholfen haben. Gegen 21 Personen wird derzeit ermittelt, weitere Ermittlungen laufen gegen noch unbekannte mögliche Mittäter.
Das gab Michael Lohnegger am Freitag bei einer Pressekonferenz gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft Wien bekannt. Lohnegger ist Leiter der neuen Wiener Ermittlungsgruppe "2. November“, die am Mittwoch im Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Wien (LVT Wien) eingerichtet wurde und nun mit den Hintergründen, den genauem Tatablauf und möglichen Komplizen des Attentäters befasst ist.
Zehn in U-Haft
"Die Tat wurde definitiv von einer Person begangen. Das ist fix", sagte Lohnegger. Man habe bisher 60 Personen als Zeugen vernommen, 20 Hausdurchsuchungen durchgeführt und dabei keine Hinweise auf einen weiteren direkten Tatbeteiligten gefunden. Was man nicht lückenlos wisse, sei, „welche Unterstützung er von welchen Personen erhalten“ habe. Als mögliche Mittäter konnten 21 namentlich bekannte Männer ausgeforscht werden, davon sitzen zehn seit vergangenem Wochenende in U-Haft. Die übrigen elf befinden sich auf freiem Fuß, weil es keine hinreichenden Haftgründe gibt, wie Nina Bussek, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, bei der Pressekonferenz erläuterte.
Inwieweit diese Beschuldigten im Vorfeld Tatbeiträge geleistet haben sollen bzw. von den mörderischen Plänen des Attentäters gewusst haben könnten, gab Bussek unter Verweis auf ermittlungstaktische Gründe nicht preis. Zudem würden weitere Ermittlungen gegen „derzeit noch nicht ausgeforschte Beschuldigte“ laufen, sagte Bussek.
Kam der Täter zu Fuß?
Weiter ungeklärt ist, wie der Attentäter von seiner Wohnung in der Wagramer Straße zum Tatort in der Wiener Innenstadt gekommen ist, und woher er seine Waffen bezogen hat. Gesichert sei, dass der 20-Jährige keine Öffis - U-Bahn, Straßenbahnen oder Busse der Wiener Linien - benutzte, um in die Innenstadt zu gelangen, betonte Lohnegger. Nicht ausgeschlossen sei dagegen, dass er - allenfalls mit einer Sporttasche, in der die Schusswaffen verstaut waren - zu Fuß unterwegs war, was allerdings einen langwierigen, beschwerlichen Fußmarsch bedeutet hätte.
In die Erhebungen seien "mehrere ausländische Partnerdienste" eingebunden. Um deren Vertrauen in die heimischen Behörden nicht zu erschüttern, müsse man mit der Bekanntgabe von Informationen vorsichtig sein, hieß es auf der Pressekonferenz. Dem Vernehmen nach soll das FBI die Social Media-Kanäle der festgenommenen möglichen Mittäter durchforsten, was aber nicht offiziell bestätigt wurde. Kontakt gibt es jedenfalls zum Verfassungsschutz und Strafverfolgungsbehörden in Deutschland und der Schweiz, nachdem es Mitte Juli in Wien zu einer mehrtägigen Begegnung von vier amtsbekannten Radikalislamisten aus diesen Ländern mit dem Täter und dessen Umfeld gekommen ist. Diesbezüglich finde länderübergreifend ein "laufender Informationsaustausch" statt, sagte Bussek.
Der neuen Ermittlungsgruppe "2. November" gehören neben Kriminalisten und Experten auf den Fachgebieten des Terrorismus und Dschihadismus Forensiker, Analytiker und Techniker an. Chefermittler Lohnegger ist seit 2012 als leitender Kriminalbeamter in der Steiermark tätig, steht im Dienstrang eines Oberstleutnants, hat ein Masterstudium an der FH Wiener Neustadt und an der FBI Akademie im Vorjahr eine Ausbildung mit Schwerpunkt Terrorbekämpfung und - Ermittlungen abgeschlossen.
Ermittlungen in Italien führen nach Wien
Offenbar gibt es auch Verbindungen nach Italien. In der lombardischen Stadt Varese wurde ein 35-jähriger Tschetschene von den Anti-Terror-Behörden festgenommen. Wie die Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera" berichtet, hatte dieser Kontakte zu einer tschetschenischen Gruppe aus Ex-IS-Kämpfern, mit denen auch der Wien-Attentäter in Verbindung stand.
Der in Varese lebende Tschetschene wird beschuldigt, Mitglied eines internationalen Rings zu sein, das online gefälschte Dokumente verkaufte. Laut den italienischen Ermittlern, lieferte der Tschetschene der in Österreich etablierten Gruppe aus nach Europa zurückgekehrten ehemaligen IS-Kämpfern nicht nur gefälschte Ausweise und Pässe, sondern auch Geld. Die Ermittler schließen einen Waffenhandel nicht aus.
(APA/red.)