Das Unrecht vom Land

Warum die EU-Agrarförderung Großbauern bevorzugt und kleinere Unternehmen benachteiligt?

Eine idyllische Landschaft mit kleinen Höfen, glücklichen Hühnern und Kindern in Dirndln und Lederhosen. Das Bild, das wir in Österreich von der Welt der Bauern produzieren, entspricht immer weniger der Realität. Die Realität ist vor allem ein normales Geschäft in einem globalen Umfeld. Manchmal beinhart, manchmal ungerecht und oft absurd, wenn beispielsweise Kartoffel aus dem ärmlichen Ägypten in heimischen Supermärkten mit Erdäpfeln aus dem Waldviertel konkurrieren. Österreichs Politik hält zumindest formal dennoch gerne das Bild einer kleinbäuerlichen Struktur hoch. Wohl auch deshalb, weil sie nach wie vor der Verkaufsschlager unseres Sommertourismus ist.

Auch das ist Realität: Jahr für Jahr sperren über 1000 heimische Landwirtschaftsbetriebe zu. Meist sind es kleinere Höfe. Ein normaler Strukturwandel, könnte man meinen. Denn die globale Wirtschaft verlangt nach größeren Einheiten, um konkurrenzfähig zu sein. Das wäre theoretisch logisch, würde nicht das System der EU-Agrarförderung dabei auch seine erhebliche Rolle spielen. Es bringt nämlich zuwege, auf der einen Seite den globalen Markt zu behindern und auf der anderen Seite dennoch die kleinbäuerliche Struktur zu zerstören. Sie ist ein Kompromiss aus zwei völlig widersprüchlichen Ansätzen.

Es sind Ansätze, die sich auch in der Verteilung der EU-Gelder widerspiegeln. Wenngleich das aktuell diskutierte „Schwarzbuch Landwirtschaft“ von Hans Weiss die Agrarstatistiken schmerzhaft ausreizt, kommt es doch zum richtigen Schluss. Nämlich, dass es eine Ungerechtigkeit in der Verteilung der Agrarförderungen gibt. In Österreich erhalten 15 Prozent der Betriebe – das sind bäuerliche Mittel- und Großbetriebe – fast die Hälfte (46%) aller EU-Förderungen. Die restlichen 85Prozent der Betriebe müssen sich mit der anderen Hälfte begnügen. Ein solches System läuft dem Ziel des Erhalts einer kleinstrukturierten Kulturlandschaft entgegen.

Die EU-Agrarförderung, die bis 2013 sowieso reformiert werden muss, ist ganz auf eine Agrarstruktur wie in Frankreich zugeschnitten, mit größeren Einheiten. Wer mehr produziert, erhält eben auch mehr. Das ist an sich kein Nachteil. Doch nimmt dieses Modell nicht darauf Rücksicht, dass größere Betriebe natürlich weit wirtschaftlicher produzieren können als kleine. Denn natürlich rechnet sich eine viele Hektar große Agrarfläche im Marchfeld leichter als ein kleiner Acker im steirischen Hügelland. Es nimmt auch nicht darauf Rücksicht, dass kleinere Betriebe denselben bürokratischen Aufwand betreiben müssen, um an die Förderungen zu kommen. Der kostet sie in Relation deutlich mehr als Großbetriebe.

Jahr für Jahr werden neue Auflagen produziert, Kontrollen eingeführt. Landwirte, die einen kleinen Hof bewirtschaften, sind allein von der Flut an Formularen oft völlig überfordert. Der Präsident der Landwirtschaftskammer, Gerhard Wlodkowski, hat zuletzt in einem „Presse“-Interview bestätigt, dass die Bürokratie in der Landwirtschaft von Jahr zu Jahr steigt, weil neue EU-Auflagen hinzukommen, gleichzeitig aber alte, nationale Regeln erhalten bleiben. Dazu kommt, dass aufgrund der vielen Auflagen kleinere Betriebe in manchen Jahren mehr Geld für Produktionsmittel (z.B. Spritzmittel und maschinelle Bearbeitung) ausgeben, als sie durch den Verkauf ihrer Produktion erhalten. Weil sie beispielsweise für ihre Äpfel nicht einmal zehn Prozent des Ladenpreises bezahlt bekommen, leben sie dann allein von den Förderungen. Das ist absurd und hat nichts mit einem funktionierenden Markt zu tun.

Das öffentlich hochgehaltene Ziel der heimischen Landwirtschaftspolitik, die kleinbäuerliche Kulturlandschaft zu erhalten, ist schlicht ein Etikettenschwindel. Österreich ist eines der Länder in der EU, die eine Reform der produktbezogenen Agrarförderung bisher verhindert haben. Zwar wurde dank des früheren EU-Agrarkommissars Franz Fischler auch eine zweite Schiene an Förderungen – nämlich die Subvention der ländlichen Entwicklung – eingeführt, doch sie konnte die Verzerrung zwischen großen und kleinen Bauern nur teilweise reduzieren.

Wenn in den nächsten Jahren wieder eine Reform der EU-Agrarförderung ansteht, wird wohl auch Österreich Farbe bekennen müssen: Will es die Landwirtschaft abseits von Produktionsmengen fördern, um seine kleinstrukturierte Kulturlandschaft zu erhalten, oder will es – auch das wäre ein Ansatz – wirklich mit der globalen Konkurrenz mithalten und auf das ländliche Idyll pfeifen?

Großbauern im Visier Seite 1


wolfgang.boehm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2010)

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