Pandemie

Großbritannien wegen Coronavirus-Mutation mehr und mehr isoliert

Viele Flüge aus London-Heathrow wurden wegen der neuen Coronavirus-Mutation kurzfristig gestrichen.
Viele Flüge aus London-Heathrow wurden wegen der neuen Coronavirus-Mutation kurzfristig gestrichen.APA/AFP/NIKLAS HALLE'N
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Der britische Premierminister Johnson beruft wegen der internationalen Landeverbote eine Krisensitzung ein. Österreich will Einreisende genau kontrollieren. Die Wissenschaft hält sich mit eindeutigen Aussagen über die Mutation noch zurück.

Wegen der neuen Mutation des Coronavirus Sars-CoV-2 stellen immer mehr Länder ihre Verkehrsverbindungen nach Großbritannien ein. Am Montag teilten die Regierungen Russlands, Norwegens, Dänemarks und Indiens mit, vorübergehend keine Flüge aus Großbritannien mehr landen zu lassen. Zuvor hatten bereits weitere europäische Staaten ihre Flugverbindungen mit Großbritannien gekappt. In Österreich dürfen ab Mitternacht keine Flugzeuge aus Großbritannien mehr landen.

Weiteren Landeverbote oder Grenzschließungen gegenüber Ländern, wo die neue Variante ebenfalls nachgewiesen wurde, sind derzeit nicht geplant, wie Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Montag erklärte. Das Landeverbot gegenüber Großbritannien sei "als Vorsichtsmaßnahme" verhängt worden, bis die Mutation im Detail wissenschaftlich untersucht worden sei. Die gute Nachricht sei jedoch, dass es bisher keine Hinweise gebe, "dass durch die Mutation unsere Impfpläne durcheinandergebracht werden", so Schallenberg bei einem Pressetermin mit Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Flughafen.

Der Zeitpunkt für das Landeverbot, das vorerst bis 1. Jänner 2021 gelten soll, sei "im europäischen Gleichklang" unter Berücksichtigung der Planbarkeit für die Menschen gewählt worden, erklärte Nehammer. Außerdem würden Einreisende aus Großbritannien, die am Montag noch ankommen, bevor um Mitternacht das Landeverbot in Kraft tritt, genau kontrolliert, betonte Schallenberg. Seit 19. Dezember müssten auch alle Einreisende aus Großbritannien nach der Einreise ohnehin für mindestens fünf Tage in Quarantäne.

Johnson berief Krisensitzung ein

Großbritanniens Premierminister Boris Johnson berief am Montag wegen der internationalen Flugverbote eine Krisensitzung seines Kabinetts ein. Bei dem Treffen werde es um die "Situation bezüglich des internationalen Verkehrs", insbesondere des Frachtverkehrs, gehen, sagte ein Regierungssprecher am Montag in London.

Zuvor hatte zahlreiche Länder Landeverbote für Flugzeuge aus Großbritannien verhängt. Israel beschloss am Monat, wegen der neuen Virus-Variante überhaupt Ausländern aus allen Ländern die Einreise zu verbieten. Israelis müssen ab Mittwoch um 14 Uhr Ortszeit (13 Uhr MEZ) nach ihrer Einreise zur Quarantäne in Corona-Hotels. Dort müssen sie mindestens zehn Tage bleiben, wenn zwei Corona-Tests negativ ausfallen. Ohne Tests müssen sie sogar 14 Tage dortbleiben.

In einem russischen Regierungsdekret hieß es, ab Mitternacht würden "aufgrund der sich verschlechternden epidemiologischen Situation" alle Flugverbindungen mit Großbritannien eingestellt. Die Regelung gelte zunächst für eine Woche.

Die Regierungen Dänemarks und Norwegens verkündeten ebenfalls Landeverbote für aus Großbritannien kommende Flüge. In beiden Ländern soll die Maßnahme zunächst nur für 48 Stunden gelten. Der Schritt erlaube es der Regierung, "weitere zu ergreifende Schritte auszuloten", sagte der dänische Transportminister Benny Engelbrecht. Dänemark gehört zu den Ländern, in denen die neue Corona-Variante bereits ebenfalls nachgewiesen worden ist.

Der norwegische Gesundheitsminister Bent Hoie begründete das Flugverbot damit, dass sichergestellt werden müsse, "dass sich die in Großbritannien nachgewiesene Variante des Virus so wenig wie möglich in Norwegen ausbreitet". Reisende aus Großbritannien müssen sich in Norwegen weiterhin wie alle anderen Neuankömmlinge für zehn Tage in Quarantäne begeben. Zusätzlich müssen sie sich bis zum 10. Jänner Tests unterziehen.

Die indische Regierung erklärte am Montag, "alle Flüge von Großbritannien nach Indien" würden bis zum Jahresende ausgesetzt. Das Ministerium für Zivilluftfahrt bezeichnete die Regelung als "Vorsichtsmaßnahme" und fügte hinzu, Transit-Passagiere aus Großbritannien müssten sich nach Ankunft Pflicht-Coronatests unterziehen.

Bereits am Sonntag hatte Finnland ein zweiwöchiges Landeverbot für Passagierflugzeuge aus Großbritannien verhängt. Die Maßnahme trat am Montagmittag in Kraft.

Auch die Türkei stoppte alle Großbritannienflüge. Außerdem sei wegen des Auftauchens ansteckenderer Virusvarianten der Flugverkehr mit Südafrika und den Niederlanden vorerst eingestellt worden, twitterte der türkische Gesundheitsminister Fahrettin Koca am Sonntagabend. Zuvor hatten schon zahlreiche andere Staaten die Flugverbindungen zu Großbritannien stillgelegt.

„Um 70 Prozent ansteckender"?

Großbritanniens Premierminister Boris Johnson hatte am Wochenende erklärt, die in Südostengland aufgetretene Mutation sei "bis zu 70 Prozent ansteckender" als die Ursprungsvariante des Coronavirus. Der Chefvirologe der Berliner Charité, Christian Drosten, wies jedoch am Montag im Deutschlandfunk darauf hin, diese Angabe sei nur ein Schätzwert. Es sei noch unklar, ob die neue Variante tatsächlich stärker übertragbar sei. Großbritanniens Gesundheitsminister Mark Hancock sagte im Sender Sky News, die neue Mutation sei "außer Kontrolle".

Die Virus-Variante wurde auch bereits in weiteren Ländern nachgewiesen, darunter in Südafrika, Italien, Belgien, den Niederlande und Dänemark. Der Chefvirologe der Berliner Charité, Christian Drosten, sagte am Montag im Deutschlandfunk, dass davon auszugehen sei, dass die Mutation auch Deutschland bereits erreicht habe. Er betonte, dass die Datenlage zu der Mutation noch sehr lückenhaft sei. Johnsons Angaben zum Ansteckungsgrad der Mutation seien ein Schätzwert.

In Österreich wurde die Virusmutation bisher nicht nachgewiesen, hieß es am Sonntag aus dem Gesundheitsministerium. Dass die Variante schon vereinzelt hierzulande aufgetreten ist, könne man nicht ausschließen, sagte allerdings Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) in Wien am Montag im Ö1-Mittagsjournal. Schließlich wird nur ein minimaler Anteil der Neuinfektionen von Wissenschaftler darauf geprüft, um welche Virus-Mutation es sich dabei handelt.

(APA/AFP/dpa)

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