Coronavirus

Sorge um P.1-Mutation: In Brasilien wurde erstmals gegen Covid geimpft

Die erste Impfung ist geschafft: Gouverneur Doria jubelt mit Krankenschwester Calazans.
Die erste Impfung ist geschafft: Gouverneur Doria jubelt mit Krankenschwester Calazans.APA/AFP/NELSON ALMEIDA
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In der Metropole Manaus hatten drei Viertel der Bevölkerung eine Infektion hinter sich, doch erneut explodieren die Corona-Zahlen. Ob das an der japanisch-brasilianischen Mutation liegt, müssen Wissenschaftler erst untersuchen. Brasilien erteilt zwei Impfstoffen eine Notzulassung.

Manaus, jene Stadt in Brasilien, wo der Rio Negro in den Amazonas fließt, hat turbulente Tage hinter sich. Es ist das Coronavirus, dass sich in der mehr als zwei Millionen Einwohner zählenden Metropole rasant ausgebreitet und damit das Gesundheitssystem komplett überlastet hat. Und es ist jene Stadt, wo die erste Covid-Impfung im Land am Sonntag verabreicht wurde.

Die Krankenschwester Mônica Calazans, 54, war die erste Brasilianerin, die am Sonntag im Hospital das Clínicas in São Paulo den Impfstoff Coronavac des chinesischen Unternehmens Sinovac gespritzt bekommen hat. Fünf Direktoren der Behörde Anvisa hatten zuvor in einer live übertragenen, fünf Stunden dauernden Sitzung am Sonntag geschlossen für die Notfallzulassungen zweier Vakzine gestimmt: für jenen aus China und jenen von Astrazeneca, dessen Zulassung auch in der EU noch im Jänner erwartet wird.

Von dem Impfstoff von Sinovac, mit dem die Regierung des Bundesstaates São Paulo ein Abkommen hat, sind sechs Millionen Dosen verfügbar. Ein Versuch der brasilianischen Regierung, zwei Millionen Dosen des Impfstoffs von AstraZeneca aus Indien zu holen, war am Freitag zunächst gescheitert. Der Gouverneur des Bundesstaates São Paulo, João Doria, kündigte in einer Pressekonferenz am Sonntag an, der Regierung mehr als 4,5 Millionen Dosen Coronavac zu liefern.

Staatspräsident Jair Bolsonaro, der das Coronavirus zuerst verharmlost hatte, zieht mittlerweile auch eine Impfung in Zweifel. So hat er sich mehrmals abfällig über den chinesischen Impfstoff vom Pharmaunternehmen Sinovac geäußert. Er dürfte dennoch wenig begeistert sein, dass Gouverneur Doria und nicht er auf den Fotos der ersten Impfungen im Land zu sehen ist. In vielen Städten hatten die Brasilianer mittels Lärm mit Töpfen gegen die Haltung der Regierung Bolsonaros protestiert.

Luftwaffe lieferte Sauerstoff

Die Lage in der Stadt Manaus war die Tage zuvor eskaliert. Nach dem Zusammenbruch des Gesundheitssystems in der Amazonas-Metropole hatte Brasiliens Luftwaffe Sauerstoff geliefert. Dies berichtete das brasilianische Nachrichtenportal "G1" unter Berufung auf die Luftwaffe am Freitag. Demnach seien zwei Transportflugzeuge mit 386 Sauerstoff-Zylindern am frühen Morgen in der abgelegenen Stadt mitten im Amazonas-Gebiet angekommen.

Gesundheitsminister Eduardo Pazuello hatte in einer Übertragung in sozialen Netzwerken zusammen mit Präsident Jair Bolsonaro am Donnerstagabend bestätigt: "Es gibt einen Kollaps in der Gesundheitsversorgung in Manaus." Demnach warteten dort 480 Covid-19-Patienten auf ein Krankenhausbett. Dementsprechend schnell reagierte man am Wochenende mit einer Notfallzulassung der Impfstoffe.

Brasilien, ein Staat mit 210 Millionen Einwohnern, ist eines der am härtesten von der Corona-Pandemie betroffenen Länder. Bisher haben sich in dem größten Land Lateinamerikas rund 8,5 Millionen Menschen nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. Mehr als 209.000 Patienten sind im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben.

Viele Menschen pflegen wegen des überlasteten Gesundheitssystems in Manaus schwer erkrankte Angehörige zu Hause - und kaufen Sauerstoff von privaten Anbietern.
Viele Menschen pflegen wegen des überlasteten Gesundheitssystems in Manaus schwer erkrankte Angehörige zu Hause - und kaufen Sauerstoff von privaten Anbietern.REUTERS

Sorge um Mutation in Sars-CoV-2

Doch in Manaus ist man auch beunruhigt, weil die Stadt eigentlich schon massive Coronavirus-Wellen hinter sich hat und im November schon 75 Prozent der Menschen eine Infektion hinter sich hatte, wie „Science News“ berichtet. Die erneute Krise verwunderte. Ob es in der Amazonas-Metropole tatsächlich etwa zu vermehrten Wiederansteckungen gekommen ist, ist unklar. Dass die sogenannte P.1-Mutation das Virus so stark verändert, dass sie vom Immunsystem auch bei bereits überstandener Infektion nicht so gut erkannt wird, ist vorerst eine Hypothese, die die Wissenschaft erst untersuchen muss. Bei einer Virus-Sequenzierung Mitte Dezember fanden der Virologe Nuno Fario und Kollegen am Londoner Imperial College bei 31 Proben aus Manaus 13 Mal eine Mutation aus der P.1-Variation.

Japan analysiert derzeit die neue Variante, die bei mehreren aus Brasilien eingereisten Menschen festgestellt worden war. Es werde weiterhin daran gearbeitet, den Erreger zu isolieren und zu analysieren, teilte das Gesundheitsministerium in Tokio vor einer Woche mit. Es sei "schwierig zu sagen, wann wir Details veröffentlichen können", sagte ein Ministeriumsmitarbeiter. 

Die Behörden betonten vorerst, dass es derzeit keinen Hinweis gebe, dass die Virusvariante ansteckender oder gefährlicher als andere sei. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte, je mehr sich das neuartige Coronavirus generell ausbreite, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit von Mutationen an dem Erreger.

Wie es im Zusammenhang mit der Impfung und der neuen Mutation aussieht, darüber gibt es noch keine Information. Bei der britischen und südafrikanischen Variante gab man sich beim deutschen Hersteller Biontech zuversichtlich, dass der Impfstoff wirkt.

Ähnlichkeiten der Mutationen

Die Entdeckung der Fälle in Japan war am Sonntag vor einer Woche öffentlich gemacht worden. Die Infektionen mit dem mutierten Virus waren demnach bei zwei Erwachsenen und zwei Kindern nachgewiesen worden, die am 2. Jänner aus Brasilien eingereist waren. Einer von ihnen, ein um die 40 Jahre alter Mann, sei wegen Atemproblemen ins Krankenhaus eingeliefert worden. Eine Frau und ein Bub hätten milde Symptome entwickelt, ein Mädchen sei beschwerdefrei.

In England grassiert eine Variante des neuartigen Coronavirus, die offenbar deutlich ansteckender ist als frühere Varianten. Auch eine in Südafrika entdeckte Sars-CoV-2-Variante scheint ersten Studien zufolge leichter übertragbar zu sein. Nach Angaben von Japans Nationalem Institut für Infektionskrankheiten bestehen gewisse Ähnlichkeiten zwischen der in Japan entdeckten Virusvariante und den Varianten in England und Südafrika.

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(APA/dpa/AFP/Red.)

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