Parlamentswahl

Vorläufiges Wahlergebnis: Israel entkommt dem Patt nicht

Eine weitere Wahl scheint in Israel nicht ausgeschlossen, denn eine Regierungsbildung nach der jüngsten wirkt nur schwer lösbar.
Eine weitere Wahl scheint in Israel nicht ausgeschlossen, denn eine Regierungsbildung nach der jüngsten wirkt nur schwer lösbar.APA/AFP/HAZEM BADER
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Die Lage von Ministerpräsident Netanjahu hat sich verschlechtert. Er bräuchte die Unterstützung von der Siedlerpartei und der neuen arabischen Partei. Eine fünfte Wahl binnen zwei Jahren scheint nicht ausgeschlossen.

Nach der vierten Parlamentswahl innerhalb von zwei Jahren ist ein Ausweg aus der politischen Krise in Israel vorerst nicht abzusehen. Wie aus dem am Donnerstagabend veröffentlichten vorläufigen Ergebnis hervorgeht, erreichten weder die als Unterstützer von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geltenden Parteien noch dessen Gegner eine eindeutige Mehrheit. Insgesamt schafften 13 Parteien den Einzug ins Parlament. Zünglein an der Waage könnte die arabische Partei Raam werden.

In dem Land stehen nun schwierige und langwierige Gespräche über die Bildung einer Regierung an. Eine weitere Neuwahl noch in diesem Jahr ist nicht ausgeschlossen. Das offizielle Endergebnis wird am kommenden Mittwoch veröffentlicht.

Die Israelis hatten am Dienstag zum vierten Mal innerhalb von nur zwei Jahren über die Zusammensetzung der Knesset in Jerusalem abgestimmt. Die Abstimmung war nötig geworden, weil das im vergangenen Frühjahr unter dem Eindruck der Corona-Krise geschlossene Bündnis zwischen Netanjahu und seinem Widersacher der vergangenen Wahlen, Benny Gantz vom Mitte-Bündnis Blau-Weiß, bereits nach wenigen Monaten im Zuge eines Haushaltsstreits zerbrochen war.

Jamina und Raam müssten beide Likud unterstützen

Nach dem vorläufigen Ergebnis vom Donnerstagabend bleibt der rechtskonservative Likud von Netanjahu zwar stärkste Kraft. Allerdings reicht es für das von Netanjahu angestrebte Bündnis rechter und religiöser Parteien nicht für eine Mehrheit. Der 71-Jährige wäre dafür auf die Unterstützung der siedlerfreundlichen Jamina-Partei und der Raam-Partei angewiesen. Der Vorsitzende einer ultrarechten Partei, die Teil des von Netanjahu angestrebten Bündnisses werden soll, erteilte der Bildung einer Koalition unter Einbindung oder Duldung der Partei der arabischen Israelis aber bereits eine Absage.

Das Anti-Netanjahu-Lager dürfte aufgrund inhaltlicher Differenzen ebenfalls Schwierigkeiten haben, genügend Koalitionäre für eine Mehrheit von 61 Abgeordneten zusammenzubekommen. Würde sich Raam diesem Block anschließen, käme er auf diese Zahl. Stärkste Kraft in dem Lager ist die zweitplatzierte Zukunftspartei. Ihr steht der bisherige Oppositionsführer Jair Lapid vor, der eine Koalition mit Netanjahu ablehnt.

Das amtliche Endergebnis soll am kommenden Mittwoch an Präsident Reuven Rivlin übergeben werden. Anschließend berät er sich bis zu sieben Tage mit verschiedenen Politikern und beauftragt dann einen von ihnen mit dem Versuch der Regierungsbildung.

Korruptionsprozess, Corona-Probleme, Impf-Weltmeister

Netanjahu hatte sich in der Wahlnacht gegen eine weitere Abstimmung ausgesprochen und zur Bildung einer stabilen Regierung aufgerufen. Er ist seit 2009 durchgängig Ministerpräsident und der am längsten amtierende Regierungschef in der Geschichte des Landes. Gegen ihn läuft ein Korruptionsprozess, die darin erhobenen Vorwürfe bestreitet er.

Die vielen Abstimmungen in den vergangenen Jahren haben Wahlmüdigkeit und Politikverdrossenheit bei etlichen Israelis bewirkt. Die Wahlbeteiligung lag diesmal deutlich niedriger als bei den vorherigen Abstimmungen. Viele Menschen haben die Versäumnisse der Regierung im Verlauf der Corona-Pandemie nicht vergessen, daher konnte Netanjahu auch nicht mit der rasanten Impfkampagne punkten: Die Infektionszahlen lagen teils deutlich über denen in Deutschland, die Bürger mussten sich mit langen Lockdown-Phasen arrangieren. Säkulare Israelis hielten Netanjahu zudem zu große Rücksicht auf die Ultraorthodoxen vor. Strengreligiöse Parteien waren zuletzt wichtige Partner Netanjahus. So entbrannte ein Streit, der die israelische Gesellschaft auf eine harte Belastungsprobe stellte.

(APA/dpa)

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