Corona

Behindertenanwalt: „Wurden in der Krise vergessen“

Clemens Fabry
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Ob eine behinderte Person bereits geimpft ist, hängt von der Wohnform und dem Bundesland ab: Als Letztes impft nun etwa die Steiermark jene, die nicht in Einrichtungen leben. Kritik kommt dafür von Behindertenanwalt Hofer.

1,4 Millionen Menschen mit Behinderung leben in Österreich. „In der Krise musste man den Eindruck gewinnen, dass sie vergessen worden sind“, so Behindertenanwalt Hansjörg Hofer am Mittwoch.
Menschen mit Behinderung seien durch Vorerkrankungen in der Pandemie oft besonders gefährdet. Entscheidend sei nun, dass die Betroffenen zeitnah eine Impfung erhalten, so Hofer.

Der Zugang sei aber „in vielen Bundesländern wesentlich davon abhängig, welche Wohnform diese in Anspruch nehmen und wie sie ihre allenfalls benötigte Betreuung organisieren“. Menschen, die in Einrichtungen leben, seien oft prioritär geimpft worden als jene, die mit Unterstützung im eigenen Haushalt leben. Daten über Inhaber von Behindertenpässen hätten stattdessen herangezogen werden können, kritisiert Hofer.

Steiermark als „Negativbeispiel“

Menschen in Einrichtung seien in allen Bundesländern tendenziell bevorzugt worden, so Hofer. Während aber beispielsweise Wien weniger Unterschiede mache, gelte die Steiermark als „Negativbeispiel“ bei der Impfung von Menschen mit Behinderung: In dieser Woche startete man als letztes Bundesland mit der Impfung von behinderten Menschen, die zuhause leben, und ihren Betreuern.

Grund für den späten Start sei, dass vorerst der Impfstoff von Biontech/Pfizer für Menschen mit gewissen Behinderungen empfohlen wurde, heißt es von der steirischen Impfkoordination dazu auf „Presse“-Anfrage. Als es die Empfehlung für AstraZeneca gab, habe man umgeschwenkt: „Die ersten werden am Wochenende geimpft.“

Menschen mit Behinderung und persönliche Assistenten sind eigentlich im nationalen Impfplan in der Phase 1 gelistet – etwa noch vor Schulpersonal. „Das ist aber eine Empfehlung des Bundes, nicht alle Länder halten sich in der gleichen Form daran“, sagt Hofer. „Die Priorisierung des Zugangs zu den derzeit knappen Impfstoffen erfolgt auf Basis von Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums, in dem die organisierten Menschen mit Behinderungen aktuell nicht vertreten sind“, so der Behindertenanwalt. Insgesamt fehle in der Pandemie „ein planmäßiges Vorgehen und ein schlüssiges und ganzheitliches Konzept“ für Menschen mit Behinderung.

Dass zuhause lebende Menschen mit Behinderung weniger Risikokontakte hätten als in einer Einrichtung, sei jedenfalls ein Trugschluss, sagt Martin Ladstätter, Obmann des Vereins „Bizeps“, der „Presse“. „Behinderte Menschen, die beispielsweise durch persönliche Assistenz daheim unterstützt werden, können schnell auf deutlich mehr als fünf Personen, manche sogar knapp zehn Personen kommen“, so Ladstätter.
Auch, dass die Anmeldung zur Impfung nicht barrierefrei ist, kritisiert Hofer: Es gebe keine Funktion, mit der etwa für Sehbehinderte das Formular durch ein Programm vorgelesen werden kann. (wal)

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