Steyr

Über die Zukunft des MAN-Werks entscheiden die Gerichte

URABSTIMMUNG MAN TRUCK&BUS
URABSTIMMUNG MAN TRUCK&BUSAPA/FOTOKERSCHI.AT/KERSCHBAUMMAYR
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Nach dem Nein der Belegschaft zu einer Übernahme durch Investor Siegfried Wolf geht es nun um die Frage, was die Standortgarantie wert ist.

Steyr/Wien. Man hat in den Werken in Steyr in Oberösterreich schon viel produziert. Fahrräder etwa, Flugzeugmotoren, Waffen, ab 1919 Automobile, darunter das legendäre „Waffenauto“ Steyr II mit 3,3 Litern Hubraum und 40 PS. Und seit 1922 werden in Steyr auch Lastkraftwagen gebaut. Nach 101 Jahren soll damit nun Schluss sein: MAN, aktueller Eigentümer der Steyr-Werke, will die Fertigung 2023 endgültig schließen.

Das sei die logische Konsequenz, nachdem die große Mehrheit der 2356 stimmberechtigten Arbeiter und Angestellten am Donnerstag gegen eine Übernahme des Werks durch den Investor Siegfried Wolf gestimmt habe, hieß es aus der Konzernzentrale in München.

Mitnichten, kontert der Betriebsrat in Steyr: Es gebe nämlich eine Standortgarantie bis 2030. Auch Bundesgewerkschafter machten umgehend klar: Sollte es in Steyr zu Kündigungen kommen, werde man diesen Standortsicherungsvertrag einklagen. „Wir werden den Betriebsrat und die Belegschaft mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen, damit der Vertrag eingehalten wird“, erklärten PRO-GE-Bundesvorsitzender Rainer Wimmer und GPA-Bundesgeschäftsführer Karl Dürtscher.

MAN kündigt Vertrag

MAN hatte den Vertrag im September 2020 gekündigt und die Standortgarantie widerrufen. So einfach geht das nach Ansicht der Gewerkschaft freilich nicht. Man verweist auf einen Passus, wonach ein vorzeitiger Ausstieg aus dem Vertrag nur bei einem Markteinbruch von mehr als 40 Prozent möglich sei. Ein solcher Rückgang ist nach Auffassung des Betriebsrats trotz der aktuellen Krise nicht zu erkennen.

Wimmer und Dürtscher liefern Unterstützung und verweisen auf ein Rechtsgutachten, das die Gültigkeit des Standortvertrages bestätige und einer Klage gute Chancen einräume. MAN ist anderer Meinung und sieht wenig Erfolgschancen.

Ein Rechtsstreit in dieser Frage könnte lang dauern und teuer werden. Daher will der Betriebsrat mit dem MAN-Management neue Gespräche über die Zukunft des Werks führen.

„Türen nicht zuschlagen"

Heimische Politiker forderten die Konzernführung auf, nicht alle Türe zuzuschlagen. Es sei nicht nur zur Absicherung der Arbeitsplätze im Werk, sondern auch für den Standort Oberösterreich wichtig, dass die Produktion in Steyr erhalten bleibe, meinten Oberösterreichs Landeshauptmann, Thomas Stelzer, und Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (beide ÖVP). Man wolle nun „den MAN-Konzern in die Pflicht nehmen, auch andere Optionen ernsthaft ins Auge zu fassen und mit weiteren Interessenten zu verhandeln“.

Eine Schließung des Werks mit seinen knapp 2400 Mitarbeitern hätte für ganz Österreich Konsequenzen. Denn an der Lkw-Produktion hängen auch viele Jobs in der Zulieferindustrie. Laut einer Untersuchung des Linzer Wirtschaftsprofessors Friedrich Schneider könnten insgesamt 8400 Arbeitsplätze betroffen sein, das heimische Bruttoinlandsprodukt (BIP) könnte als Folge der Werksschließung um 957 Mio. Euro sinken.

64 Prozent votierten mit Nein

Dass das Votum gegen eine Übernahme durch Siegfried Wolf derart deutlich ausfällt, war für viele eine Überraschung. Von 2356 stimmberechtigten Mitarbeitern haben 2215 an der Urabstimmung teilgenommen. Von den 2188 gültigen Stimmen entfielen 773 (34,9 Prozent) auf ein Ja zur Übernahme, 1415 – und damit knapp 64 Prozent – auf ein Nein. Wolf hatte im Vorfeld auf eine Zweidrittelmehrheit für seinen Plan gehofft, herausgekommen ist beinahe eine Zweidrittelmehrheit für eine Ablehnung.

Wolf wollte das Werk mit 1250 Personen weiterführen und Lkw unter dem Namen Steyr für die ganze Welt produzieren. Die Mitarbeiter hätten auf bis zu 15 Prozent ihres Lohns verzichten müssen.

„Ich kann dieses Votum heute nur mit großem Bedauern zur Kenntnis nehmen“, hieß es in einer schriftlichen Erklärung von Siegfried Wolf. Er habe „viel Herzblut“ in dieses Projekt investiert. Aus der Umgebung Wolfs hieß es am Donnerstag, dass es keinen neuen Anlauf und kein nachgebessertes Angebot geben werde.

Verlust im Jahr 2020

Für Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) ist die Entscheidung der Belegschaft „bedauerlich, aber zu respektieren“. Sie appellierte am Donnerstag an mögliche Interessenten: „Wenn es noch ernsthafte Angebote gibt, wäre es jetzt an der Zeit, diese vorzulegen.“

Die MAN-Gruppe hat 2020 einen Umsatz von 10,8 Milliarden Euro gemacht. Am Ende blieb ein operativer Verlust von 631 Millionen Euro. 2019 schloss man noch mit einem Gewinn von 332 Millionen Euro ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2021)

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