Konjunktur: Ein Aufschwung mit Fragezeichen

Konjunktur Aufschwung Fragezeichen
Konjunktur Aufschwung Fragezeichen(c) AP (Wayne Bauerkemper)
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Wifo und IHS erhöhen die Prognose, relativieren diese aber gleich wieder: Für 2011 gibt es große Unsicherheiten, der Aufschwung ist nicht nachhaltig. Heuer soll das BIP um bis zu zwei Prozent wachsen.

Wien (ju). Die Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS haben am Freitag ihre Konjunkturprognosen für heuer und 2011 wie erwartet angehoben, diese Anhebung aber gleich wieder relativiert: Wifo-Chef Karl Aiginger sagte, die günstige Prognose sei vor allem für das kommende Jahr sehr unsicher. IHS-Chef Bernhard Felderer meinte, aus den USA und China kämen „deutliche Zeichen einer Abschwächung“. Es sei „noch nicht klar, wie weit das geht“.

In der offiziellen Prognose nehmen die beiden Institute einmal an, dass der Einbruch nicht dramatisch ausfällt: Heuer soll das österreichische BIP demnach real um 1,8 (IHS) bis zwei (Wifo) Prozent wachsen, für das kommende Jahr gehen die Institute von 1,9 bis zwei Prozent Wachstum aus.

Das Wachstum in diesem Jahr basiert wie berichtet auf einer außerordentlich kräftigen Erholung im ersten Halbjahr (die von der überraschend starken deutschen Konjunktur getragen wurde). Dieser Schwung lässt allerdings – überall in den Industriestaaten – gerade deutlich nach. Die Prognose für das kommende Jahr basiert auf der Annahme, dass die deutsche Wirtschaft 2011 um 2,2 Prozent zulegt und die amerikanische um zwei Prozent wächst. Das gilt aus heutiger Sicht als ziemlich ambitioniert, im Fall der USA, wo die Notenbank gerade über ein Antideflations- und Rezessionspaket nachzudenken beginnt, als äußerst optimistisch.

Entsprechend verhalten fielen auch erste politische Reaktionen aus: Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner meinte, der von den Wirtschaftsforschern prognostizierte Aufschwung sei „erfreulich, aber fragil“. Es gebe Unsicherheiten von der „angeschlagenen US-Wirtschaft und vom nicht reformierten Finanzsektor“.

Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl meinte, die Vorschau sei „erfreulich, aber kein Grund zur Euphorie“. Vor allem keiner, um die Budgetsanierung und die anstehenden Strukturreformen wieder aufzuschieben. Diese Ansicht teilen auch die Wirtschaftsforscher: Aiginger meinte, die verbesserte Konjunkturprognose und die damit verbundenen etwas höheren Steuereinnahmen dürften jetzt nicht zum Anlass genommen werden, „Bruder Leichtsinn nach Österreich einzuladen“. Leitl meinte, die Erholungsphase sei noch nicht abgeschlossen, das Vorkrisenniveau noch nicht erreicht. Auch Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll mischt Skepsis in seine Freude über die angehobene Prognose: „Es ist noch nicht gesichert, dass wir von einem nachhaltigen Aufschwung ausgehen können“, sagte Pröll – der die Prognoseanhebung im Übrigen nicht zuletzt auf die erfolgreiche Wirtschaftspolitik der Regierung zurückführt.

Investitionen bleiben schwach

Was vor allem Sorgen macht: Die Investitionen der Unternehmen sind noch nicht angesprungen und liegen weit unter dem Vorkrisenniveau. Was bedeutet, dass die Kapazitäten der Betriebe noch nicht ausgelastet sind und die Unternehmen die unmittelbare Zukunft noch skeptisch beurteilen.

Aufgehellt hat sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosenrate (nach nationaler Definition) dürfte heuer von 7,2 auf 6,9 Prozent sinken und im kommenden Jahr auf 6,7 Prozent fallen. Die Arbeitslosenrate zeigt aber nicht das ganze Bild: Der Zuwachs an Beschäftigung entfällt fast ausschließlich auf Teilzeitjobs. Deshalb halten auch die privaten Konsumausgaben mit dem Wachstum nicht Schritt: Die werden heuer um 0,8 und im kommenden Jahr um 0,6 Prozent wachsen – und damit deutlich langsamer als das BIP. Der Konsum dürfte trotzdem eine tragende Konjunkturstütze bleiben. Die langsamer sinkenden Realeinkommen werden durch eine leichte Verringerung der Sparquote kompensiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2010)

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