Sinistrer Ex-Stratege führt Vendetta gegen Premier.
Theateraffine Briten hatten gleich ein Shakespeare-Stück zur Hand, um den Kleinkrieg zwischen Boris Johnson und Dominic Cummings, seinem Ex-Mastermind, zu beschreiben: Bei den Vorgängen in der Downing Street handle es sich um nichts weniger als um ein Königsdrama à la „King Lear“. Involviert sind der Premier, seine Verlobte, Carrie Symonds, und der sinistre Spin-Doctor Cummings, der Johnsons pikante Chats mit Brexit-Sponsor James Dyson und Saudi-Kronprinz Mohammed bin Salman an die Öffentlichkeit gespielt haben soll. Dagegen wirkt die österreichische SMS-Affäre wie eine Provinzposse.
Es zeichnet sich eine Vendetta des Protagonisten des Brexit-Films „The Uncivil War“ ab, der Johnson mit dubiosen Methoden, der Parole „Get Brexit Done“, dem Manöver zur Auflösung des Parlaments und einer Neuwahl zur Macht verhalf. Der Premier stand zu seinem Chefstrategen, selbst nach einem Proteststurm, als er die Corona-Quarantäne brach. Bis Cummings mit Symonds aneinandergeriet, er in Ungnade fiel und das Drama seinen Lauf nahm.
Cummings Fall erinnert verblüffend an Stephen Bannon, den unorthodoxen und intriganten Trump-Guru, den der US-Präsident nach einem halben Jahr feuerte. Parteifreunde warnten Johnson vor Cummings und seinem Gift-Dossier. Heckenschützen aus den Tory-Reihen, die Johnson abmontiert hat, kommen bereits aus der Deckung. Dabei lief es gerade schön rund für Johnson, den europäischen Impf-Champion und Bezwinger der ungeliebten Super League. Doch King Boris beging einen Kapitalfehler: Traue keinem Mitwisser!
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2021)