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360-Grad-Rundgänge und Videos: Digitales für die Immobilienwirtschaft

Digitale Werkzeuge werden uns bei der Wohnungssuche erhalten bleiben.
Digitale Werkzeuge werden uns bei der Wohnungssuche erhalten bleiben. [ Ogulo]
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Die Digitalisierung der Immo-Branche hat während der Krise einen Aufschwung erlebt. Der wohl auch nach der Rückkehr zur Normalität nicht wieder verebben wird.

Ganz plötzlich waren sie da, all die digitalen Werkzeuge und Wege, Immobilien zu verkaufen, zu vermieten, aber auch zu verwalten und sogar ihren Bau zu koordinieren. Nach einer kurzen Schreckstarre im ersten Lockdown blieb der Branche kaum Zeit für eine Ruhepause, denn die Nachfrage stieg rasant, und irgendwie musste sie befriedigt werden, wenn man das Geschäft nicht an den Mitbewerb verlieren wollte.

Also eroberten 360-Grad-Rundgänge, Video-Besichtigungen und digitale Staging-Tools die Webseiten der Anbieter; die Apps der Hausverwalter und digitalen Concierges wurden verstärkt genutzt und sogar „Massenveranstaltungen“ wie Hauseigentümerversammlungen online beziehungsweise hybrid abgehalten. Was aber wird von all dem bleiben, wenn – hoffentlich – irgendwann wieder Normalität einkehrt?
Vieles, sind sich die Fachleute sicher – manche Dinge bleiben aber auch während der strengsten Ausgangsbeschränkungen zumeist dem physischen Besuch vorbehalten. „Wer eine Wohnung oder ein Haus sucht, in dem man leben will, wollte und will nach wie vor zumindest einmal die Immobilie in realiter besichtigt haben, um auch ein Gefühl für die Umgebung, den Ausblick, die Himmelsrichtung, den Lichteinfall zu bekommen, und das wird auch noch eine Weile so bleiben“, ist Peter Marschall, Inhaber von Marschall Immobilien, überzeugt.

Eine Einschätzung, die Anton Holzapfel teilt, Vorstandsmitglied des Österreichischen Verbands der Immobilienwirtschaft (ÖVI) und Geschäftsführer der Immobilien-Akademie: „Die Dreidimensionalität wird man nicht ersetzen können, allerdings werden die digitalen Werkzeuge bei der Vorauswahl eine immer größere Rolle spielen“, ist er sich sicher. „Die Vorselektion verlagert sich schon seit Langem ins Digitale, der konkrete Abschluss wird aber physisch abgewickelt werden.“

Neue Entscheidergeneration

Langfristig werde man sich auf Veränderungen des Käufer- oder Mieterverhaltens einstellen müssen, sagt Marschall. „Die Dynamik der Digitalisierung wird sicherlich weiter zulegen. Derzeit ist die Entscheidergeneration noch nicht wirklich digital aufgewachsen und sattelfest“, so der Makler. „Sobald aber die Digital Natives entscheiden, wird sich das massiv ändern. Die Generation, die mit Videospielen groß geworden ist, fühlt sich auch in der Virtual und Augmented Reality wohl – dann wird vielleicht das Anschauen in Natura die Ausnahme.“

Online-Concierge-Services

Bei den Hausverwaltungen hatten die ersten Anwendungen schon vor Corona Einzug gehalten – und haben naturgemäß während der Krise ihren Anwenderkreis vergrößert. „Da gab es schon eine ganze Reihe von Apps, etwa für die Schadensabwicklung, die in manchen Hausgemeinschaften sehr gern angenommen wurden, in anderen aber gar nicht“, weiß Holzapfel.

Darüber hinaus haben neben Concierges aus Fleisch und Blut deren elektronische Vertreter während der Krise zunehmend an Popularität gewonnen und werden diese auch nach der Rückkehr zur Normalität wahrscheinlich nicht wieder einbüßen. Das zeigt eine aktuelle Studie, die von Magenta Telekom, Austrian Real Estate, JP Immobilien und Puck Immobilien App Services in Auftrag gegeben wurde.

Digitale Schwarze Bretter

Laut dieser sind nicht weniger als 60 Prozent der befragten Wohnungsnutzer an elektronischen Hausverwaltung- und Concierge-Services interessiert – wie etwa einer digitalisierten Postbox, einem digitalen Schwarzen Brett oder der Steuerung der Alarmanlage. Darüber hinaus können sich rund zwei Drittel der Studienteilnehmer die Kommunikation mit der Hausverwaltung per App vorstellen. Wichtig sei den Befragten allerdings der Datenschutz: So haben 80 Prozent der Wohnungsnutzer Datenschutzbedenken, wenn es um die Digitalisierung der eigenen vier Wände geht. „Hier gilt es, den Wohnungsnutzern mit einer genauen und transparenten Datenpolicy die Bedenken zu nehmen und die Daten der Bewohner durch umfangreiche technische und organisatorische Sicherheitsmaßnahmen zu schützen“, erklärt Daniel Jelitzka von JP Immobilien.

Eigentümerversammlungen

Auf einen Blick

Auch bei den Hauseigentümerversammlungen können digitale oder zumindest hybride Konzepte weiterhin hilfreich sein, ist Holzapfel überzeugt. Die Vorteile ortsunabhängiger Modelle seien evident. „Wesentlich ist aber, die Versammlungen so attraktiv zu gestalten, dass genügend Eigentümer teilnehmen, um abstimmen zu können und beschlussfähig zu sein.“

Aber auch hinter den Kulissen der Immobilienwirtschaft halten zunehmend digitale Verfahren Einzug, die sich in Zukunft kaum mehr wegdenken lassen. „Zum einen wird man sehen, wie weit sich das Building Information Modeling (BIM) durchsetzen wird“, sagt Holzapfel. Die Anforderungen dafür seien hochkomplex, sowohl, was die Eingabe der Daten betrifft, als auch für das Lesen der Modelle. Es werde sich auch über kurz oder lang die Frage stellen, ob die Baubehörden das BIM bei Einreichungen vorschreiben werden.

Und dann gehe die Tendenz bei Sachverständigengutachten ebenfalls zunehmend in eine digitale Richtung. „Dort werden automatisierte Bewertungen anhand von Datenpools immer üblicher“, erklärt der ÖVI-Funktionär, etwa bei Banken, für die schnelle Einschätzungen der Immobilien wichtig seien.
An den großflächigen Einsatz dieser Technologie – wie er etwa in den USA üblich ist, wo Kaufangebote online ohne Besichtigung abgegeben werden und Häuser und Appartements innerhalb von 24 Stunden den Besitzer wechseln –, glaubt Holzapfel allerdings nicht. „So schnell zieht man in Europa nicht um – hier wird der Begriff Immobilie noch ziemlich wörtlich genommen.“Viele digitale Elemente in der Immobilienwirtschaft werden erhalten bleiben oder weiter ausgebaut. Dazu gehören 360-Grad-Rundgänge und Videos, die bei der Vorselektion hilfreich sind; elektronische Concierge-Services, Hausverwaltung-Apps, automatisierte Bewertungen bei Sachverständigengutachten und das Building Information Modeling (BIM).

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