Laut einer Analyse von PlanRadar liegt Österreich bei der Nutzung von Building Information Modeling (BIM) weit abgeschlagen hinter Ländern wie Großbritannien oder Deutschland. Das hat seine Gründe.
Noch vor wenigen Jahren nur Experten ein Begriff, ist BIM heute – zumindest in Teilen der Baubranche – bereits fest verankert. Das Kürzel steht für Building Information Modeling, ein digitales Verfahren, mit dessen Hilfe ein virtuelles, dreidimensionales Modell eines Bauwerks geschaffen werden kann, das alle Informationen über Bauteile, Aufbau, Bauphasen und Ähnliches enthält. Dieses virtuelle Modell steht im Idealfall dann allen Projektbeteiligten, vom Planer bis zu den ausführenden Firmen, zur Verfügung. Bei erfolgreicher Implementierung verspricht BIM eine fehlerreduzierte, effizientere Planung, eine bessere Kommunikation und Kooperation unter allen Beteiligten und einen minimierten Datenverlust beim Austausch von Projektinformationen. Baukosten und Ökobilanz eines Gebäudes lassen sich transparenter darstellen und selbst in der Bewirtschaftung der Gebäude ergeben sich große Vorteile.
Großbritannien an der Spitze
Und dennoch wird BIM in Österreich bisher nur verhalten eingesetzt. Lediglich 20 Prozent der heimischen Unternehmen nutzen die Technologie, hat PlanRadar, ein aufstrebendes Unternehmen im Bereich der digitalen Baudokumentation, im Rahmen einer europaweiten Analyse erhoben. Ganz anders in Großbritannien, das bei der Entwicklung und Implementierung von BIM-Technologien unangefochten an der Spitze steht. Dort wird BIM bereits von rund 80 Prozent der Unternehmen im Bausektor eingesetzt. Selbst in Polen liegt die Nutzungsfreudigkeit deutlich höher als in Österreich – 40 bis 50 Prozent der Bauunternehmen haben dort bereits Erfahrungen damit gesammelt. Große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern gibt es laut PlanRadar-Analyse zudem beim Digitalisierungsgrad von Bauprojekten. Während die österreichischen Unternehmen gerade einmal auf Level eins angekommen sind, haben Länder wie Deutschland oder Großbritannien längst Level zwei erreicht. Insgesamt werden vier Stufen unterschieden, angefangen bei Level null, das für eine geringfügige digitale Zusammenarbeit von Projektteams im Planungs- und Bauprozess steht, bis hin zum höchsten Level drei, das eine vollständige Digitalisierung des Datenaustausches und der Kooperation einzelner Projektmitarbeiter beschreibt.
Fehlender Standard
Rudi Pistora, Head of Sales bei PlanRadar, sieht einen der Hauptgründe für den geringen Nutzungsgrad in Österreich in der fehlenden Standardisierung: „Vor allem die unterschiedlichen Formate und Standards bei CAD-Programmen und deren Kompatibilität sind aktuell Verursacher der eingeschränkten Anwendung von BIM-Technologien. Diese Unterschiede führen zu Schwierigkeiten beim Datentransfer zwischen den Beteiligten und erschweren in der Folge die Abfrage von BIM-Modellen und deren Bearbeitung.“
Steffen Robby, Geschäftsführer des Wiener Innovationstreibers Digital Findet Stadt, bemerkt vor allem bei kleineren und mittleren Unternehmen der Baubranche noch eine gewisse Zurückhaltung: „Die gute Auftragslage bedingt bei vielen Betrieben wenig Zeit für Weiterentwicklungen dieser Art. Hinzu kommen Unsicherheiten, fehlende gesetzliche Rahmenbedingungen und Standardisierung – sprich, der Innovationsdruck ist auch nicht vorhanden“, sagt der Experte. Solche Berührungsängste soll unter anderem der Innovationskongress 2021 in Aspern Seestadt nehmen, an dessen Organisation Robby und sein Team derzeit mit Hochdruck arbeiten (siehe Infokasten). BIM wird dort einer der großen Programmpunkte sein. Denn ihm gehört die Zukunft, meint Robby: „Allein in der Planung lassen sich damit rund 30 Prozent an Ressourcen einsparen.“
Georg Stadlhofer, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Drees & Sommer Österreich, lenkt die Aufmerksamkeit in diesem Zusammenhang auch auf das Facility Management: „Für die Übernahme der Verwaltung eines Objekts müssen jedes Mal rund zehn bis 15 Prozent der jährlichen Kosten, für die derzeit noch sehr komplexe Übernahme der Daten und Informationen zum Objekt kalkuliert werden. Ein hochautomatisierter Datentransfer im Rahmen eines BIM-Modells ermöglicht einen weitaus kostengünstigeren Wechsel des Dienstleisters.“ Das Einsparungspotenzial bei den Bewirtschaftungskosten über den gesamten Immobilienzyklus beziffert er mit bis zu zehn Prozent.
Politik am Zug
Inzwischen gibt es auch schon Lösungen für das drängendste Probleme beim BIM-Einsatz, den fehlenden Standard. So hat PlanRadar etwa bei seiner webbasierten SaaS-Software für Dokumentation und Kommunikation in Bau- und Immobilienprojekten eine Open-BIM-Schnittstelle integriert, über die sich auch unterschiedliche Datenformate problemlos austauschen lassen. Für Robby ist das aber bestenfalls eine Zwischenlösung: „Für eine breitere Durchsetzung von BIM benötigen wir eine gemeinsame Plattform mit einem einheitlichen Standard für den Datenaustausch“, betont er. Doch dafür braucht es ein Commitment der Politik: „Großbritannien liegt nicht zuletzt deshalb so weit vorn, weil dort bereits seit 2016 für alle staatlich geförderten Projekte mindestens BIM-Level zwei vorgeschrieben ist. In Österreich ist bisher nichts Derartiges zu erkennen.“
INNOVATIONSKONGRESS
BIM ist eines der großen Themen beim diesjährigen Innovationskongress „Planen, Bauen & Betreiben – Digital Findet Stadt“ am kommenden Donnerstag, 9. September, im Technologiezentrum Aspern Seestadt. Unter anderem referiert Ilektra Papadaki von der Europäischen Kommission in seiner Eröffnungskeynote über Österreichs BIM-Strategien und deren Implementierung im europäischen Kontext. Die Tagung unterliegt den 3-G-Regeln, kann aber auch im Live-Stream verfolgt werden. Programm und Anmeldung auf: www.digitalfindetstadt.at/innovationskongress2021
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2021)