Nach der Niederlage im EM-Finale muss das Land nicht nur seine fußballerischen Wunden behandeln, sondern auch die Schattenseiten seiner Gesellschaft.
London. Auf die Trauer folgte der Schock. Wenige Minuten nach der tragischen Niederlage im Elfmeterschießen bei der Fußballeuropameisterschaft gegen Italien ergoss sich Sonntagnacht ein Strom rassistischer Beschimpfungen über die drei englischen Unglücksraben: Neben das Instagram-Bild von Bukayo Saka wurde das Emoji eines Orang-Utans gepostet, ein Wandbild von Marcus Rashford wurde mit Obszönitäten beschmiert und allein der Nachrichtendienst Twitter löschte mehr als 1000 Nachrichten, die auch Jadon Sancho wüst beflegelten, wegen anstößiger Inhalte. Alle drei Spieler vergaben ihre Elfer. Alle drei sind dunkelhäutig. Am Ende jenes Tages, der zu seinem Nationalfeiertag werden sollte, zeigte Englands Fußball sein hässlichstes Gesicht.
Das Entsetzen darüber sprach gestern, Montag, aus (fast) allen Reaktionen. Im Namen des Königshauses verurteilte Prinz William, Zweiter in der Thronfolge und Ehrenpräsident des Fußballverbands, das „verabscheuenswürdige Benehmen“ und forderte: „Das muss ein für alle Mal aufhören.“ Premierminister Boris Johnson meinte: „Dieses England-Team verdient es, als Helden gefeiert und nicht rassistisch beschimpft zu werden.“ Teamchef Gareth Southgate sprach von „unverzeihlichen“ Vorfällen: „Diese Mannschaft steht für das ganze Land.“ Johnsons Parteifreundin Natalie Elphicke aber tweetete: „Vielleicht hätte Rashford besser Elferschießen trainiert, als sich um soziale Anliegen zu kümmern.“ Wenig später äußerte sie ihr „Bedauern“ über ihre „aus Enttäuschung geschriebene Nachricht“.