Fall Kampusch: „Zeugenangaben nicht beachtet“

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Fall Kampusch bdquoZeugenangaben nicht(c) AP (Helmut Fohringer)
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Die fortgesetzte massive Kritik an den Anklagebehörden im Entführungsfall Natascha Kampusch sorgt weiter für Aufregung: Nun soll eine unbefangene Staatsanwaltschaft die Vorwürfe prüfen.

[WIEN]Die Kritik, die der Ex-Präsident des Obersten Gerichtshofes Johann Rzeszut an der Arbeit der Anklagebehörden im Entführungsfall Natascha Kampusch übt, lässt weiter die Wogen hochgehen: Rzeszut beklagt, wie berichtet, in einem Schreiben an die Klubobleute im Parlament, dass wichtige Schritte zur Aufklärung des Falles unterlassen worden seien. Nun sucht die Generalprokuratur (quasi die oberste Anklagebehörde) eine unbefangene Staatsanwaltschaft, die die Vorwürfe prüft.

Derzeit befindet sich das (der „Presse“ vorliegende) Rzeszut-Schreiben bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft (KStA). Dort bleibt man aber trotz der massiven Vorwürfe erstaunlich ruhig: „Wir haben die Eingabe geprüft und sind zu der Auffassung gekommen, dass vorerst keine dringlichen und unaufschiebbaren Amtshandlungen oder Erhebungsschritte nötig sind“, betonte KStA-Sprecher Friedrich König am Freitag.

Manipulation einer Zeugin?

Indessen sorgen die Details aus dem Schreiben für Aufregung: So wird unter anderem scharf kritisiert, wie die Anklagebehörden, die den Fall aufrollen sollten, mit einer Zeugin umgingen. Die Rede ist von der damals Zwölfjährigen, die beobachtet hatte, wie Natascha Kampusch von Wolfgang Priklopil (er beging nach der Flucht seines achteinhalb Jahre gefangen gehaltenen Opfers Selbstmord) in einen weißen Transporter gezerrt worden war. Diese Zeugin will einen zweiten Mann am Steuer des Transporters gesehen haben. Das gab sie in sechs verschiedenen Einvernahmen bei der Polizei an. Kampusch hatte immer von nur einem Täter gesprochen. Am 3.Dezember 2009 kam es zu einer informellen Gegenüberstellung der beiden Frauen – dabei rückte die Zeugin erstmals von ihren Angaben ab und gestand zu, sich möglicherweise geirrt zu haben.

Dazu meint Rzeszut, es sei aus einem Amtsvermerk (auch dieser liegt der „Presse“ vor) ersichtlich, „dass das Gespräch (zwischen den beiden Frauen und zwei Polizeibeamten, Anm.) in völlig atypischer und krass einseitiger-suggestiver Einflussnahme auf A. (die Zeugin, Anm.) ausschließlich darauf ausgerichtet war, die langjährigen konstanten Angaben dieser Zeugin über den Entführungskomplizen des Wolfgang Priklopil, die den staatsanwaltlichen Einstellungsintentionen hinderlich entgegenstanden, zu beseitigen“. Die Anklagebehörden hätten die Polizei zu dieser Gesprächsführung gedrängt – und den ursprünglichen Angaben der Zeugin „konsequent keine Beachtung geschenkt“. Über Kampusch heißt es indessen, sie habe „jahrelang mannigfaltige Gelegenheiten (...), auf sich aufmerksam zu machen, ungenützt vorübergehen lassen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2010)

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