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Plötzlich politischer Autor: Ein Roman über den Kanzler als Heilandfigur

Elias Hirschl widmet sich in seinem neuen Roman "Salonfähig" Menschen, die vor allem aus Rhetorik bestehen.
Elias Hirschl widmet sich in seinem neuen Roman "Salonfähig" Menschen, die vor allem aus Rhetorik bestehen.Mirjam Reither
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Mit einer Satire auf die Generation Slim Fit landete Elias Hirschl einen Erfolg. Auch in Deutschland wird „Salonfähig“ als Kurz-Schlüsselroman rezipiert.

Plötzlich klopften auch deutsche Medien an. „Das Buch wird als ein Kurz-Schlüsselroman rezipiert“, meint Elias Hirschl. Und er selbst als politischer Schriftsteller. „Zwangsweise“, wie er meint. Aber ja, natürlich war damit zu rechnen, dass „Salonfähig“ ein gewisses Bedürfnis befriedigt. Ein Roman mit einem jungen österreichischen Kanzler als Heilandfigur. Und dessen Anhänger als karrieregeile und glatte Schnösel, die platte Slogans reproduzieren.

Das Timing für das Erscheinen von Hirschls viertem Roman hätte nicht besser sein können. Da waren die Öbag-Chats, die einige prominente Türkise in Verlegenheit brachten und eine gewisse Arroganz der Macht offenlegten. Und dass Bundeskanzler Sebastian Kurz, der unzweifelhaft Vorbild für die Figur des Julius Varga war, auch noch selbst im Mittelpunkt von Ermittlungen steht, wird das Interesse am Buch noch zusätzlich befeuert haben.

Wäre es früher entstanden, meint der Autor, hätte es diese Resonanz wohl nicht gegeben. 2018 stand eine erste Version – da sei Kurz in Deutschland noch gefeiert worden. Mittlerweile habe sich das geändert – und nun interessierten sich eben auch „Die Zeit“ und „Der Spiegel“ für den ersten politischen Roman des 27-Jährigen.

„Wirklich geplant war ein politisches Buch nicht“, erzählt Hirschl. Begonnen habe es mit einigen Monologen, die er für das Aktionstheater Ensemble geschrieben hat. Der Auftrag: Die Psychologie einer Person zu beschreiben, die vor allem von ihrer Rhetorik lebt. Wie sie formuliert. Aber auch, welche Widersprüche hinter ihrem Weltbild stecken. Und so recherchierte er in Texten der ÖVP – „man findet dort gute Phrasen“.

Phrasen und Sektenverhalten

Wobei, das gesteht Hirschl ein, diese Phrasendrescherei gebe es auch bei anderen Parteien. „Eine Annalena Baerbock drückt sich genauso aus.“ Das sei in einem gewissen Sinn auch notwendig, damit man im politischen Umfeld überhaupt bestehen kann. „Aber es reden halt alle das Gleiche – es geht um den kleinen Mann, um soziale Gerechtigkeit, nur dass halt jeder etwas anderes darunter versteht.“

Diese Phrasen interessierten ihn. Die Rhetorik dahinter – „das ist wie der Bass in der Musik, den bemerkt man auch nur dann, wenn er plötzlich weg ist“. Dazu kam noch das, was er als „Sektenverhalten“ bezeichnet. Etwa den Auftritt von Sebastian Kurz in der Wiener Stadthalle, umringt von Tausenden jungen Anhängern in türkisen T-Shirts.

Auf Basis der Monologe machte er sich an den Roman. Im Mittelpunkt steht ein namenloser Erzähler, der versucht, dem großen Vorbild nachzueifern, ihm zu dienen – etwa, indem er die Blumen in dessen Wohnung gießt. Und der zwischen Besuchen bei der Rhetoriktrainerin und der Basisarbeit für die Jugendorganisation der Partei vor allem Phrasen drischt.

Bei der Lektüre fühlt man sich immer wieder an „American Psycho“ erinnert – nur dass der Wallstreet-Yuppie mit Vorliebe für kostspielige Markenkleidung und hinter der Fassade versteckten Gewaltexzessen hier ein junger Parteigänger mit Dachgeschoßwohnung in Hernals ist. Tatsächlich hat Hirschl den Roman von Bret Easton Ellis an die fünf Mal gelesen, bevor er sich an „Salonfähig“ machte.

Die skurrilen und manchmal wie in einem Fiebertraum erscheinenden Szenen wirken zeitweise verstörend. Und doch entdeckt man als Beobachter der österreichischen Innenpolitik immer wieder Parallelen zur Realität. Punktesammeln für Sex mit Funktionären? „Das haben Sie erfunden?“, hat eine deutsche Journalistin den Autor unlängst gefragt. „Nein, googeln Sie einfach mal ,Schülerunion‘“.

Das nächste wird nicht politisch

Ursprünglich kommt Hirschl aus der Poetry-Slam-Szene. Zu der er auch als Romanautor keinen Schlussstrich ziehen will. Aber große Touren werde er damit nicht mehr machen. „Als Beruf bringt es dich um. Es ist anstrengend und schlecht bezahlt.“ Mit den Romanen und Lesungen, da komme er jetzt gut über die Runden.

Wobei das nächste Buch wohl kein so großer Aufreger sein wird – es wird um Menschen gehen, die Dinge im Internet posten. Arbeitstitel: „Content“. „Ich bin froh, dass es sich nicht um Politik drehen wird.“ Aber bis dahin wird Hirschl wohl noch einigen Medien Interviews über Rhetorik, die ÖVP und Sebastian Kurz geben müssen. Vermutlich werden auch noch einige weitere aus Deutschland dabei sein.

Zur Person

Elias Hirschl (geb. 1994) wurde bekannt als Poetry Slammer, veröffentlichte mehrere Bücher (u.a. „Meine Freunde haben Adolf Hitler getötet und alles, was sie mir mitgebracht haben, ist dieses lausige T-Shirt“, „Hundert schwarze Nähmaschinen"). Mit seinem vierten Roman, einer Satire über Inhaltsleere und Rhetorik in der Politik, die auch als Kurz-Schlüsselroman rezipiert wird, erregte er auch international Aufsehen.


Buch: Salonfähig. Von Elias Hirschl. Zsolnay Verlag. 252 Seiten; 22,70 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2021)

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