Urteil

Polen: Höchstgericht erklärt EU-Vertrag für verfassungswidrig

Demonstranten versammelten sich am Donnerstagabend vor dem Verfassungstribunal in Warschau.
Demonstranten versammelten sich am Donnerstagabend vor dem Verfassungstribunal in Warschau.APA/AFP/JAAP ARRIENS
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Das gleichgeschaltete Verfassungstribunal hält das Unionsrecht für nachrangig.

Brüssel. Polen schlittert in die größte politische Krise seit seinem Beitritt zur Europäischen Union im Jahr 2004. Am Donnerstagabend verkündete das Verfassungstribunal in Warschau sein mehrfach verschobenes Urteil in der Frage, ob die polnische Verfassung dem Recht der EU untergeordnet ist oder vor allem in der Frage der Bestellung von Richtern über den EU-Verträgen steht. Mit Ausnahme zweier dissidenter Meinungen stimmten erwartungsgemäß alle von der nationalautoritären Regierungspartei PiS ernannten Richter dafür, dass die Artikel 1 und 19 des EU-Vertrages verfassungswidrig seien. Die Republik Polen könne wegen Artikel 1, der die Gründung der EU durch die Mitgliedstaaten und die Übertragung von Zuständigkeiten an sie zur Erreichung gemeinsamer Ziele festhält, „nicht als demokratischer und souveräner Staat funktionieren.“

Artikel 19, der den EuGH als Garanten der „Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge“ festschreibt und die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, „die erforderlichen Rechtsbehelfe zu schaffen, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist“, sei ebenfalls verfassungswidrig, weil er Polen vorschreibe, wie Richter zu bestellen seien.

Die Europäische Kommission äußerte „ernste Bedenken“ und erklärte, das Urteil prüfen zu müssen. Ihre Freigabe von knapp 60 Milliarden Euro Corona-Aufbauhilfen an Polen ist nun in weite Ferne gerückt.

(go)

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