Schauspiel-Star Alec Baldwin (63) erschoss mit einem Requisiten-Revolver bei Dreharbeiten eine Kamerafrau und verletzte damit den Regisseur. Er war aber eigentlich mit Platzpatronen geladen.
Mit seinen mittlerweile 63 Jahren zählt Alec Baldwin, der im Staat New York geborene Schauspieler mit irischen, französischen und englischen Wurzeln, der seine Vorfahren sogar auf das Einwandererschiff „Mayflower" von 1620 zurückführen kann, zu den produktivsten Schauspielern überhaupt. Seit seinem Debüt in der US-TV-Seifenoper „The Doctors" 1980 erschien er in allein etwa 88 Kinofilmen, war bei einigen davon auch Produzent; dazu kommen Dutzende TV-Auftritte in Filmen, Serien, Shows, Dokus sowie auf Theaterbühnen.
Als finaler Durchbruch gilt wohl seine Rolle als US-Agent Jack Ryan im U-Boot-Thriller „Jagd auf Roter Oktober" von 1990 mit (unter anderen) Sean Connery, Tim Curry und James Earl Jones.
Am Donnerstag indes schlug das Unglück plötzlich und auf bizarre Weise zu: Bei Filmaufnahmen auf der Bonanza Creek Ranch in New Mexico für den von ihm auch produzierten Western „Rust", in dem Baldwin als Outlaw namens Harland Rust vor US-Marshalls und Kopfgeldjägern auf der Flucht ist, schoss er am frühen Nachmittag (Ortszeit) plangemäß aus einem Berichten zufolge mit Platzpatronen geladenen Revolver – doch irgendetwas flog dabei aus dem Lauf und traf gleich zwei Personen in der Nähe.
Regisseur Joel Souza (48) wurde verletzt in ein Spital im nahen Santa Fe gebracht; er soll am Freitag wieder entlassen worden sein. Die 42-jährige Kamerafrau Halyna Hutchins allerdings wurde tödlich verletzt; sie starb in einem Spital in Albuquerque.
"Es gibt keine Worte, um den Schock und die Trauer auszudrücken angesichts des tragischen Unfalls, der das Leben von Halyna Hutchins beendet hat - Ehefrau, Mutter und zutiefst bewunderte Kollegin von uns", schrieb Baldwin am Freitag im Kurznachrichtendienst Twitter. "Ich kooperiere vollkommen mit der polizeilichen Untersuchung, um herauszufinden, wie diese Tragödie geschehen konnte. Und ich stehe in Kontakt mit ihrem Ehemann, um ihm und seiner Familie meine Unterstützung anzubieten. Mein Herz zerbricht für ihren Ehemann, ihren Sohn und all diejenigen, die Halyna kannten und liebten."

Eine der wenigen Kamerafrauen
Halyna Hutchins galt als aufstrebendes Talent und war eine der wenigen Kamerafrauen im Filmgeschäft, noch dazu in diesem rauen Genre. Geboren in der UdSSR bzw. Ukraine, lebte sie als Kind jahrelang mit ihren Eltern auf einer Militärbasis in der arktischen Region, arbeitete als Journalistin und für britische Filmproduktionen in Osteuropa, zog in die USA, studierte 2013-15 an einer Filmakademie in Hollywood und stand seither bei rund 30 meist kleineren Produktionen für TV, Kino und Online-Videodienste hinter der Kamera.

Bilder vom Schauplatz, einer Ansammlung von Filmkulissengebäuden auf dem Gelände einer früheren Goldgräbersiedlung, zeigen Baldwin nach dem Unglück komplett aufgelöst; er gab keine Stellungnahme ab. Der Dreh wurde gestoppt, die Polizei begann Ermittlungen zum Hergang, über den es bisher nur Spekulationen auch auf Basis von Fachleuten aus dem Waffen- und Film-Metier gibt.

Bei der Waffe handelte es sich jedenfalls um einen Revolver klassischen Modells – der Film spielt in den 1880ern, selbstladende Pistolen gibt es erst seit Mitte der 1890er-Jahre. Der Hersteller (etwa Colt) war vorerst nicht bekannt, die Waffe dürfte indes eine typische Sechs-Schuss-Trommel haben.
Echte Waffen mit Platzpatronen
Bei Filmdrehs werden speziell in den USA oft echte Waffen benützt, also keine Schreckschuss- oder Spielzeugwaffen, weil das realistischer wirkt und auch die Schauspieler anders damit agieren. Allerdings lädt man sie mit Platzpatronen: Die haben in ihrer Hülse zwar eine Pulverfüllung, aber kein Geschoss (Kugel) vorn dran.

Für diese Requisitenwaffen sind geschulte Fachleute oder Büchsenmacher zuständig, die auch den Umgang damit erklären müssen: Der Explosionsdruck (Gasdruck), der aus dem Lauf entweicht, ist nämlich auch bei Platzpatronen auf sehr kurze Distanz bis zu einigen Metern gefährlich, wenngleich geringer als bei echten Patronen. Bei selbstladenden Waffen wie Pistolen und Sturmgewehren reicht dieser geringere Gasdruck und geringere Rückstoß allerdings oft nicht für das Repetieren, das automatische Nachladen aus dem Magazin. Daher werden solche Requisitenwaffen innen unsichtbar umgebaut, um den Gasdruck zu steigern. Bei einem Revolver ist das hingegen konstruktionsbedingt nicht nötig, weil sich die Trommel mit den Patronen darin durchs Ziehen des Abzugs dreht.
Was nun aber aus dem besagten Revolver Baldwins herausschoss, war vorerst unklar, zumal ja auch zwei Personen zugleich getroffen wurden, auf die Baldwin angeblich auch gar nicht zielte. Es könnte sich um Steinchen oder Metallfragmente gehandelt haben – so etwas müsste der Waffenmeister aber vorher erkennen.
Präzedenzfall „The Crow" (1993)
Etwas ziemlich ähnliches geschah freilich im März 1993: Damals wurde der US-Schauspieler Brandon Lee, Sohn von Kung-Fu-Hero Bruce Lee und damals 28 Jahre alt, beim Dreh zum Gothic-Horrorfilm „The Crow" (Die Krähe) durch einen Schuss aus einem Revolver Typ Smith & Wesson 629, Kaliber .44 Magnum, tödlich verletzt – und zwar just in jener Szene, in der ihn ein Verbrecher im Film auch wirklich erschießt.
Der Hergang: Der Revolver war für vorherige Szenen mit unsachgemäß gebauten Übungspatronen geladen gewesen: Man hatte aus ihnen das Pulver entfernt und sie wieder zusammengesetzt, damit sie bei einer Darstellung in Großaufnahme echt wirkten. Allerdings wurde das Zündhütchen, das das Pulver durch den Aufschlag des Hahns (des Schlaghammers an der Rückseite der Trommel) entflammt, belassen. Irgendjemand zog zwischenzeitlich den Abzug, wodurch der Zünder knallte und die Kugel dadurch aus der Patronenhülse ein wenig in den Lauf hinein schob. Man übersah das.

Als der Schurkendarsteller (Michael Massee, 1952-2016) dann später in der besagten Szene den Abzug drückte und eine mittlerweile in die Trommel geschobene Platzpatrone zündete, trieb deren Druck die versteckte Kugel aus dem Lauf - und in Lees Bauch. Er fiel rücklings um (laut Drehbuch hätte er nach vorne fallen sollen), wurde Minuten später ohnmächtig und starb nach einigen Stunden im Krankenhaus.
Der Film (er hat übrigens einen genialen Soundtrack, u. a. mit The Cure, Helmet, Nine Inch Nails, The Jesus and Mary Chain) war übrigens schon großteils fertig gedreht zu dem Zeitpunkt; einige fehlende Szenen wurden mit einem Double von Lee und elektronischer Bearbeitung nachgedreht, die Handlung leicht verändert und manche Szenen dadurch weggelassen.
Dieser Hergang von damals könnte beispielhaft für den jetzigen Fall Baldwin sein – er erklärt aber noch nicht, wieso diesfalls zwei Menschen zugleich getroffen wurden.