Der ökonomische Blick

Eine Rechnung, die sich auszahlt: Klimaneutralität im Personenverkehr

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Wenn der Personenverkehr klimaneutral gestaltet wird, können die gesamtgesellschaftlichen Kosten deutlich reduziert werden. Die Mittel stehen uns bereits zur Verfügung.

Bei der Klimakonferenz 2021 in Glasgow hat Bundeskanzler Schallenberg Österreichs Rolle als Vorreiter in der Erreichung der Klimaziele hervorgehoben. Ein Blick auf die Entwicklung der Treibhausgase (THG) in Österreich beweist, dass wir noch weit davon entfernt sind diese zu realisieren. Blicken wir dazu auf den Verkehrssektor: Im Jahr 2019 war er für 30 Prozent der gesamten österreichischen Treibhausgase verantwortlich, davon entfallen zwei Drittel rein auf den Personenverkehr. (1) Um Klimaneutralität im Personenverkehr zu erreichen, gibt es drei Strategien. (2) Erstens, könnte ein Teil der persönlichen Wege eingespart oder verkürzt werden. Durch nachhaltige Raumplanung welche die Erreichbarkeit von Arbeit, Freizeiteinrichtungen und Einkaufsmöglichkeiten verbessert, können Wege kürzer ausfallen. Kürzere Wege wiederum lassen sich leichter mit aktiver Mobilität (zu Fuß gehen, Fahrrad fahren) oder den Öffis zurücklegen. Damit werden THG-Emissionen durch die Verkürzung der Wege und durch den Umstieg auf klimafreundliche Verkehrsmittel reduziert. Wenn zusätzlich noch vermehrt Home-Office ausgeführt wird, können Pendelwege eingespart werden und verkehrlichen Rebound Effekten werden durch eine nachhaltige Raumplanung entgegengengewirkt. Zweitens, die Verlagerung des Verkehrs auf aktive Mobilität und Öffis. Das Potential für die Verlagerung ist vor allem im städtischen Raum vorhanden, da hier kürzere Strecken zurückgelegt werden und kann durch die richtigen Rahmenbedingungen wie dem Ausbau der Infrastruktur für öffentlichen Verkehr und die Errichtung von Fahrrad-Highways begünstigt werden. Drittens, der technologische Wandel ermöglicht es unsere Fahrzeuge zukünftig emissionsfrei zu betreiben. Neben alternativen Treibstoffen zu Benzin und Diesel, ist die Elektrifizierung auf Basis von grünem Strom eine der effizientesten Möglichkeiten dafür.

Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

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Klar ist, dass es hier die Kraft aller braucht, um diese Strategien umzusetzen: die Politik benötigt es, um die notwendigen Rahmenbedingungen wie Infrastruktur zu gewährleisten - und jeden Einzelnen, jede Einzelne von uns bei der Wahl eines klimafreundlichen Verkehrsmittels.

Dass dieses Anstreben ein Großes ist, steht außer Frage. Dennoch bringt eine solche Umstellung viele Vorteile mit sich, welche durch die Betrachtung der gesamtgesellschaftlichen Kosten des Personenverkehrs sichtbar gemacht werden können. Die gesamtgesellschaftlichen Kosten umfassen neben den direkten Fahrzeugkosten verschiedener Transportmittel (und darin sowohl fixe wie auch variable Kosten) auch jene Kosten, welche nicht der Verursacher selbst sondern die Gesellschaft trägt. Dazu zählen die externen Kosten, die durch Luftverschmutzung, Klimawandel, indirekte Emissionen, die in der Herstellung von Antriebsenergien für Fahrzeuge (z.B. Benzin, Strom) entstehen, Lärm, Unfälle, Barriere Effekte, Stau (zumindest innerhalb der Gruppe der Verkehrsnutzer übertragen) und die Zerstörung von Ökosystemen auf die Bevölkerung zurückfallen (3) als auch die Entlastung des Gesundheitssystems durch positive Gesundheitseffekte die bei der Ausübung von aktiver Mobilität entstehen. Zudem kommen noch die Zeitkosten zu den gesamtgesellschaftlichen Kosten hinzu. Also eine monetäre Bewertung jener Zeit, die im Verkehr verbracht wird. (4)

Um die gesamtgesellschaftlichen Kosten der Dekarbonisierung für Österreich abzuschätzen, können  vier Szenarien der zukünftigen Entwicklung verglichen werden (5):

  • Ein Business-As-Usual (BAU) Szenario, in dem 2040 die Nutzungsanteile der Verkehrsmittel jenen von heute entsprechen.
  • Ein Elektrifizierungs-Szenario in dem zwar die Nutzungsanteile an Verkehrsmitteln wie heute vorherrschen aber die gesamte Verkehrsflotte elektrifiziert ist.
  • Ein Verlagerungsszenario, in welchem zusätzlich zur Elektrifizierung eine starke Verschiebung von motorisierter individueller Mobilität in Richtung aktiver Mobilität und Öffis stattfindet.
  • Und ein Vermeidungsszenario, das zudem noch eine Reduktion der Mobilitätsnachfrage, wie oben beschrieben, abbildet.

Der Vergleich zeigt, dass die Kosten in allen Dekarbonisierungsszenarien geringer sind als im BAU Szenario, wobei eine reine Elektrifizierung die geringste Einsparung der gesamtgesellschaftlichen Kosten mit sich bringt. Die Einsparung ist deutlich größer bei Elektrifizierung mit gleichzeitiger Verlagerung und am größten, wenn simultan elektrifiziert, verlagert und vermieden wird. Sieht man sich die direkten Fahrzeugkosten an, so verringern sich diese mit jeder zusätzlich angewendeten Strategie, da die spezifischen Fahrzeugkosten von aktiver Mobilität und öffentlichem Verkehr geringer sind als von Autos (E-Autos inkl. Lernrate).

Die Entwicklung der externen Kosten zeigt eine deutliche Verringerung in den Szenarien Elektrifizierung+Verlagerung als auch Elektrifizierung+Verlagerung+Vermeidung. Der ausschlaggebende Grund dafür sind die hohen positiven Effekte auf die Gesundheit durch aktive Mobilität, welche zu hohen Kosten-Einsparungen im Gesundheitssystem führen können. Die Zeitkosten hingegen sind am höchsten im Szenario Elektrifizierung+Verlagerung, da aktive Mobilität und öffentlicher Verkehr vergleichsweise mehr Zeitaufwand bedeuten. Umgelegt auf Minuten, heißt das, dass man im Jahr 2040 in einem BAU Szenario bzw. bei reiner Elektrifizierung ca. 70 Minuten am Tag im Verkehr verbringt, und wenn vermehrt auf Öffis und aktive Mobilität umgestiegen wird, müssten zusätzlich zehn Minuten eingerechnet werden. Würde man Wege vermeiden, wären nur mehr zusätzlich fünf Minuten notwendig. Zudem sind potentielle Präferenzen für die Nutzung der Zeit während der Fortbewegung in der Berechnung nicht berücksichtigt. So kann zum Beispiel die Zeit in Öffis im Vergleich mit der Zeit im Auto für andere Aktivitäten wie Lesen oder Arbeiten verwendet werden, oder jeglicher Fußweg gleichzeitig dazu dienen, ein gesundes Maß an Bewegung pro Tag zu erreichen.

Das heißt also, wenn der Personenverkehr klimaneutral gestaltet wird mit allen Strategien, die uns heute schon zur Verfügung stehen, können die gesamtgesellschaftlichen Kosten reduziert werden. Von jeder/m Einzelnen wäre dafür ein zusätzlicher Zeitaufwand von fünf bis zehn Minuten pro Tag notwendig, der mit erheblichen positiven Gesundheitseffekten belohnt werden würde. Eine Rechnung die sich auszahlt!

Die Autorin

Raphaela Maier ist Doktorandin in den Umweltsystemwissenschaften sowie im FWF Doktoratskolleg Klimawandel an der Universität Graz. Sie forscht am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel an den sozio-ökonomischen Auswirkungen von Klimaneutralität im Verkehr und in der Industrie. 

Raphaela Maier
Raphaela Maier (c) Schrofler Eva

Fußnoten:

1)  Umweltbundesamt (2021). Klimaschutzbericht 2021. Reports, Band 0776. Wien. Retrieved from: https://www.umweltbundesamt.at/studien-reports/publikationsdetail?pub_id=2390&cHash=021ba521ecd29215267d26f2aaf41b2c

2)  Creutzig, F., Roy J., Lamb, W.F. et al. (2018). Towards demand-side solutions for mitigating climate change. Nature Climate Change Vol 8, 260–263. ISSN: 17586798. doi: https://doi.org/10.1038/s41558-018-0121-1

3) Essen, H. van et al. (2019). Handbook on the External Costs of Transport. Publications Office of the European Union, Luxemburg. ISBN: 978-92-79-96917-1

4) Schmid, B. et al. (2019). A pooled RP/SP mode, route and destination choice model to investigate mode and user-type effects in the value of travel time savings. Transportation Research Part A Policy Practice Vol 124. 262–294. ISSN: 09658564. doi: https://doi.org/10.1016/j.tra.2019.03.001

5) Maier, R., Posch, A., Proß, C., Plakolb, S. & Steininger, K. (2021) Ist Klimaneutralität im Personenverkehr mit einer Kostenreduktion vereinbar? Factsheet. Retrieved from: https://wegcenter.uni-graz.at/factsheets

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