Wettbewerb

Mehr Rechte für Bauern - Handel ortet "Klientelpolitik"

Agrarministerin Elisabeth Köstinger: Ein großer Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit
Agrarministerin Elisabeth Köstinger: Ein großer Schritt hin zu mehr GerechtigkeitAPA/HANS PUNZ
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Änderungen im Wettbewerbs- und Nahversorgungsgesetz sollen ab Jahreswechsel Landwirten und Co helfen. Ab März wird es auch eine weisungsfreie Ombudsstelle geben.

Der Ministerrat hat am Mittwoch eine Änderung des Wettbewerbs- und Nahversorgungsgesetzes auf den Weg gebracht, die mit Jahreswechsel in Kraft treten soll. Unfaire Geschäftspraktiken des Handels sollen damit hintangehalten werden. Die großen Handelsunternehmen zeigten sich sehr zurückhaltend und geizten mit angefragten Stellungnahmen. Der Handelsverband ortete stellvertretend "Klientelpolitik" und nannte drei Kritikpunkte. Der Diskonter Hofer begrüßte das geplante Gesetzesnovelle.

"Verspätete Zahlungen für verderbliche Waren, Auftragsstornierungen in letzter Minute, einseitige oder rückwirkende Vertragsänderungen, erzwungene Zahlungen des Lieferanten für die Verschwendung von Lebensmitteln oder Verweigerung schriftlicher Verträge sind mit diesen Gesetzesänderungen verboten", wurde Agrarministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) am Mittwoch in einer Aussendung zitiert. Eine weisungsfreie Ombudsstelle soll ihrer Ankündigung zufolge dann ab März auch anonym aktiviert werden können, um bäuerlichen Vorwürfen gegen den Lebensmittelhandel nachzugehen. "Das ist ein großer Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit und zu fairen Preise für hochwertige Lebensmittel", so die Ministerin.

Sie sprach am Rande des Ministerrats eine erhebliche Marktkonzentration im Bereich der Lebensmitteleinzelhändler an. Drei große Konzerne würden sich den Markt im Bereich der Versorgung aufteilen, sagte sie ohne die größten Player, Spar, Rewe (Billa, Billa plus) und Hofer namentlich zu nennen. Dem gegenüber stünden mehr als 100.000 Produzenten und Produzentinnen in Österreich, so Köstinger. "Wie mit unseren Bäuerinnen und Bauern teilweise umgegangen wird, ist unwürdig."

Schon 2019 hatte die EU unlautere Praktiken entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette definiert. Nun erfolgt die Umsetzung im nationalen Recht. Somit entsteht ein exekutierbarer Rechtsrahmen. Zu den EU-definierten unlauteren Praktiken zählen unter vielen anderen Punkten etwa ein Zahlungsverzug an den Lieferanten über 30 Tage bei verderblichen Lebensmitteln, ein Zahlungsverzug an den Lieferanten über 60 Tage bei anderen Lebensmitteln und kurzfristige Stornierungen von Bestellungen verderblicher Lebensmittel.

Handel lehnt unlautere Praktiken ab

Der österreichische Lebensmitteleinzelhandel (LEH) lehne unlautere Geschäftspraktiken kategorisch ab und setze auf eine transparente, faire Zusammenarbeit mit seinen Lieferanten, betonte der Handelsverband stellvertretend für die Lebensmittelhändler. Die geplante Gesetzesnovelle sorge jedoch für "Irritationen bei vielen heimischen Händlern": "Mit der Gesetzesänderung sollten eigentlich unfaire Geschäftspraktiken in der gesamten Lebensmittel-Wertschöpfungskette hintangehalten werden. Landwirtschaftsministerin Köstinger hat nun allerdings fragwürdige Änderungen eingebracht, welche an den ursprünglichen Intentionen der UTP-Richtlinie völlig vorbeigehen", hieß es.

Auf die einzelnen Anfragen bei den großen Lebensmittelhändlern reagierte bis Mittwoch am frühen Nachmittag nur Hofer. "Unfaire Geschäftspraktiken lehnen wir kategorisch ab und stehen auch deshalb voll und ganz hinter einem Rechtsrahmen, um auch auf juristischer Basis ein balanciertes Verhältnis zwischen Vertretern der Landwirtschaft und dem Handel zu schaffen." Der Diskonter habe viele langjährige Lieferanten. Das sei nur durch eine "gegenseitige Wertschätzung und eine grundsolide Vertrauensbasis" möglich.

Künftig mehr Fairness

Zusätzlich zu den bereits definierten unfairen Geschäftspraktiken wurden weitere zwei Sachverhalte aufgenommen: Die Gewährung schlechterer Konditionen im Vergleich zu Mitbewerbern bei gleichwertiger Leistung aus unsachlichen Gründen und die Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder Vermarktungsformen. Außerdem werde der Geltungsbereich auf 1 Mrd. Euro Jahresumsatz ausgeweitet, wodurch weitere Betriebe geschützt würden.

An der Erhöhung von geplanten 350 Mio. Euro auf 1 Mrd. Euro stört sich der Handelsverband. Damit schieße Köstinger über das Ziel hinaus, sie sage selbst, sie wolle vor allem "kleine" Erzeuger schützen. Darob ortet Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will "Klientelpolitik". Er mutmaßt, dass auch große Molkereien geschützt werden sollen.

Auf die Liste der verbotenen Handelspraktiken wurde zusätzlich eine aus Sicht des Handelsverbandes "kartellrechtlich sehr fragwürdige Bestimmung" aufgenommen. Der Käufer dürfe dem Lieferanten bei Bestehen eines wirtschaftlichen Ungleichgewichts ohne sachliche Rechtfertigung bei gleichwertiger Leistung keine unterschiedliche Bedingungen im Vergleich zu anderen Vertragspartnern gewähren, insbesondere im Hinblick auf die Höhe des Preises oder die Zahlungsbedingungen. "Diese Bestimmung greift erheblich und unverhältnismäßig in den Markt ein. Die fehlende Definition von 'wirtschaftlichem Ungleichgewicht' sorgt zusätzlich für Rechtsunsicherheit." Dritter Kritikpunkt: Die Ombudsstelle ist für Bauern und Produzenten vorgesehen, nicht aber für den Handel.

"Unfairer Wettbewerb kann und darf nicht auf dem Rücken unserer Bäuerinnen und Bauern ausgetragen werden", hieß es von den Grün-Politikern Olga Voglauer und Clemes Stammler. "Bisher waren die kleinen Bäuerinnen und Bauern nahezu schutzlos dem übermächtigen Handel und der verarbeitenden Industrie ausgeliefert." Mit dem angekündigten Gesetz werde aber ein großer Erfolg für die Landwirte und Produzenten verbucht.

Die Präsidenten von Landwirtschaftskammer und Bauernbund, Josef Moosbrugger und Georg Strasser (beide ÖVP) begrüßten, dass künftig für mehr Fairness in der Lebensmittel-Wertschöpfungskette gesorgt werde. "Unfairen Geschäftspraktiken gehört dringend ein Riegel vorgeschoben", betonte so Moosbrugger. "Der Handel verlangt Lebensmittel zu immer höheren Standards und zu immer günstigeren Preisen. Und zugleich wird die Marktmacht in vollen Zügen ausgenutzt und bis dato auch zum Teil mit unfairen Praktiken gearbeitet. Mit diesem Gesetz und der weisungsfreien Ombudsstelle soll diesem Ungleichgewicht auf Kosten der Bäuerinnen und Bauern ein Riegel vorgeschoben werden", so Strasser.

"Die Umsetzung der Richtlinie ist ein wichtiger Schritt, um die Position der Bäuerinnen und Bauern in der Wertschöpfungskette zu stärken", betonte auch die Obfrau von Bio Austria, Gertraud Grabmann.

(APA)

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