Prozess

Vorarlberger wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine verurteilt

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UKRAINE-RUSSIA-CONFLICT-DEFENCEAPA/AFP/SERGEI SUPINSKY
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Benjamin F. (29) hatte über Jahre als Söldner gekämpft, auch im Irak und in Syrien gegen den IS. Wegen Misshandlung eines Zivilisten 2015 erhielt er nun vom Landesgericht Feldkirch eine bedingte Haftstrafe von zweieinhalb Jahren. Für die geringe Strafhöhe hatten mehrere Milderungsgründe gesprochen.

Am Landesgericht Feldkirch hat sich am Mittwoch ein Mann aus dem Kleinwalsertal in einem für Österreich sehr ungewöhnlichen Prozess verantworten müssen: Der 29-Jährige war wegen Kriegsverbrechen angeklagt, die er 2015 in der Ukraine begangen haben soll, als er auf Seiten ukrainischer Einheiten gegen prorussische Separatisten im Osten des Landes kämpfte. Es ging konkret um Misshandlungen und folterartige Übergriffe gegen einen Zivilisten.

Der Angeklagte bekannte sich schuldig, zeigte ausdrücklich Reue und bot Entschädigungszahlen an das Opfer an. Er lebt seit Jahren in der Schweiz und führt ein geregeltes Leben, war angeblich etwa als Hirte tätig. Zum Tatzeitpunkt war er berauscht. Letztlich wurde er zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt. Das ist eine überaus milde Strafe, denn grundsätzlich hätte er aufgrund des konkreten Sachverhalts mit fünf bis 15 Jahren Haft rechnen könnnen. Der Richter sah indes mehrere Milderungsgründe wie oben erwähnt für gegeben an. Das Urteil war vorerst nicht rechtkräftig.

Die gesamte Geschichte ist einigermaßen schräg. Der nun Verurteilte namens Benjamin F. hatte nämlich früheren Berichten etwa Vorarlberger Medien, des „Profil" und „Kurier" zufolge (siehe am Ende der Geschichte) als Söldner auch in Syrien und im Irak gegen den IS gekämpft und erfolglos versucht, bei der französischen Fremdenlegion anzuheuern.

Tagelang in Duschkabine festgehalten und geschlagen

2014/15 war er in der von der Ukraine abtrünnigen Region Donbass im Einsatz, zunächst im Rahmen einer Miliz einer rechtsnationalen Organisation und auch mit anderen Ausländern, etwa US-Amerikanern und mindestens zwei weiteren Österreichern. 2016 wechselte er in ein Bataillon einer regulären Infanteriebrigade; das wurde durch eine Gesetzesänderung möglich.

Laut Anklage hatte er 2015 daran mitgewirkt, dass ein ukrainischer Zivilist mehrere Tage gefangengehalten und misshandelt wurde. Es habe sich um einen Arbeiter gehandelt, der mit den Kämpfern in Streit geraten und daraufhin für einen prorussischen Spion gehalten worden sei.

Das Opfer war einen erheblichen Teil dieser Zeit in einer Duschkabine eingepfercht. Laut Anklage wurde der Mann geschlagen, getreten, man wollte von ihm das Passwort zu seinem Handy und Social-Media-Accounts. Einige Teilnehmer filmten die Übergriffe. F. habe seine Kollegen zu Angriffen auf den Mann aufgefordert und ihn auch selbst geschlagen.

Frühere Ermittlungen eingestellt

2017 stellte die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt aufgrund des Verdachts von Kriegsverbrechen gegen Personen (§321b StGB) im Ukraine-Konflikt einen Europäischen Haftbefehl gegen den damals 25-Jährigen aus. Dem waren umfangreich bebilderte Medienberichte über F. vorangegangen. Damals war die Verdachtslage weit gravierender, denn es ging aufgrund diversen Bildmaterials um Vorwürfe, F. habe Zivilisten und Kriegsgefangene getötet. Bald darauf wurde er in Polen verhaftet, als er wieder in die Ukraine reisen wollte, und ausgeliefert. Das Verfahren wurde dann später wegen zahlreicher Gegenbeweise eingestellt, in Bezug auf die nunmehr gegenständlichen Vorwürfe aber im Vorjahr von der Feldkircher Staatsanwaltschaft wieder aufgenommen.

Eine Anklage wegen Kriegsverbrechen ist laut Bericht des ORF in Österreich extrem ungewöhnlich: Der Staatsanwalt meinte, dass es seines Wissens nach seit den 1950ern keine derartige Anklage mehr gegeben habe.

Eine „brave" Jugend im Idyll

Benjamin F. wuchs als Kind eines einheimischen Vaters und einer tunesischen Mutter im Kleinwalsertal auf, war den Informationen zufolge bei der Freiwilligen Feuerwehr, fuhr Ski und führte ein „braves" Leben, bis ihm das zu langweilig wurde, er die HTL abbrach und sich mit 17 fürs Bundesheer als Zeitsoldat meldete.

Er rückte in einem Jägerbataillon in der Steiermark ein und absolvierte nach einigem Hin und Her Auslandseinsätze auf dem Balkan, die er allerdings langweilig fand. 2013 kündigte das Heer den Dienstvertrag mit ihm (in einer anderen Version der Geschichte trat er freiwillig aus).

F. machte eigenen Angaben zufolge eine Ausbildung im Sicherheitsbereich, war Wächter auf einem Frachtschiff, scheiterte an der Fremdenlegion, lebte zwischenzeitlich in Wien und erschien 2014 in der Ukraine im Frontgebiet. Da sich in dieser Zeit dort aber nicht viel tat und die Umstände seines Einsatz ziemlich bizarr waren, reiste er in den kurdisch kontrollierten Nordirak und weiter nach Syrien, um dort für die Kräfte der Volksverteidigungseinheiten (YPG) gegen den „Islamischen Staat" zu kämpfen. Es muss dabei brutal zugegangen sein.

Wegen diverser Probleme etwa in religiöser und Mentalitätshinsicht mit seinen Mitkämpfern ging er von Syrien recht bald wieder in den Irak und bewarb sich dort bei den ebenfalls kurdischen Peschmerga-Milizen, die ihn letztlich nicht aufnahmen. F. reiste nach Österreich zurück, doch wenig später (2015) wieder in die Ukraine, weil ihn ein Ex-Kollege beim Bundesheer, der dort kämpfen wollte, dazu ermutigt hatte.

Wieso F. wieder ins Gefecht zog, begründete er in einem Interview unter anderem so: „Dort, wo der Tod ist, ist alles viel lebendiger." Außerdem sei Krieg „wie eine Droge, vielleicht noch stärker als Heroin."

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(wg/ag.)

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