In Berlin dreht sich viel um Sex, meist aus intellektueller Distanz. Ruth Beckermann blickt in „Mutzenbacher“ auf männliche Ideen von Geschlechtlichkeit. Kurdwin Ayub liefert den spannendsten Österreich-Beitrag des Festivals.
In einem rezenten Interview mit dem Nachrichtenportal „The Daily Beast“ wunderte sich der US-Regisseur Steven Soderbergh über den Mangel an Intimverkehr in Superheldenfilmen: „Nobody's fucking!“, klagte er – als Wink, dass viele Kassenschlager wenig mit der Lebensrealität ihres Publikums zu tun hätten. Selbige in den unverfälschten Blick zu nehmen, betrachten Festivals wie die Berlinale als Kernaufgabe. Dass Sexualität ein wesentlicher Aspekt der Conditio humana ist, können sie nicht verleugnen. Tatsächlich wird sie hier öfter ins Bild gesetzt als im regulären Kinobetrieb. Dabei geht es jedoch nur selten sexy zu. Das Spektrum der Perspektiven reicht von schonungslos bis analytisch. Fetischisierung und Voyeurismus sind tendenziell tabu, Erotik und Sinnlichkeit, die für sich stehen, bilden eher die Ausnahme.
Dennoch erstaunt die Frequenz, mit der Filme der diesjährigen Berlinale Sex und Begierde zum ausdrücklichen Thema machen. Wer will, kann die pandemisch gesteigerte Libido dafür verantwortlich machen, Co-Intendant Carlo Chatrian wies vor Festivalbeginn diskret auf die Dichte an „Liebesgeschichten“ im Wettbewerb hin.