Analyse

Facebook-Spiele und das Frauenbild: schöner, fügsamer, besser

Gerade bei jungen Frauen und Kindern könnten die Apps für Verunsicherung sorgen.
Gerade bei jungen Frauen und Kindern könnten die Apps für Verunsicherung sorgen.Clemens Fabry
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Facebook zeigt in letzter Zeit vermehrt Werbungen für Handyspiele an, in denen Frauen umgestylt werden müssen, um Männern zu gefallen. Der Trend ist nicht nur sexistisch, sondern auch brandgefährlich.

Eine junge Frau kommt nachhause und findet ihren Partner mit einer Anderen im Bett. Anstatt ihren Mann zur Rede zu stellen oder gleich einen Schlussstrich zu ziehen, wählt die Betrogene einen anderen Weg. Weinend und vor Wut rauchend beschließt sie, sich einem „Makeover“, also einem kompletten Umstyling, zu unterziehen, um sich an ihrem untreuen Partner zu „rächen“. Warum es an ihr liegen soll, den Vertrauensbruch wieder zu kitten, steht dabei nicht zur Debatte. Was folgt, ist ein regelrechter Marathon im Schönheitssalon. Jeder scheinbare Makel muss ausgebügelt werden. Dazu zählt etwa Körperbehaarung, Akne oder aber auch eine Brille. Vom Erfolg dieses „Makeovers“ hängt es nun ab, ob das „hässliche Entlein“ ihren entwischten Märchenprinzen wiederbekommen kann oder erneut von diesem verschmäht wird.

In einem anderen Szenario gilt es, sich so schnell wie möglich „ansehnlich herzurichten“, bevor der Partner mit der Schwiegermutter in spe vorbeikommt. Scheitert die Mission, verlangt die Dame von ihrem Sohn, seine Partnerin zu verlassen. So oder so ähnlich sehen Facebook-Werbespots für einige große Handy-Spiele derzeit aus. Die Inhalte der Anzeigen ähneln sich stark: Die Spielerin oder der Spieler müssen einen Charakter nach gesellschaftlichen Schönheitsidealen „optimieren“, um ihm zu einem besseren Liebesleben zu verhelfen. Wird etwa zu viel oder zu buntes Make-up aufgetragen oder werden die Haare zu kurz abgeschnitten, wird der Charakter von seinem Objekt der Begierde erneut abgewiesen und das Spiel ist gescheitert. Schafft man es, aus dem Charakter ein makelloses Topmodel zu machen, das den Ansprüchen seiner Umwelt genügt, dann wird der Charakter vom anderen Geschlecht umgarnt.

Spielerisches Lernen – wie man zu sein hat

Auf Facebook selbst und in anderen sozialen Medien sorgt die Ausbreitung der Werbeanzeigen für Missfallen. Insbesondere auf Instagram und Twitter machen Userinnen und User ihrem Unmut über die Spots Luft. Etliche sind etwa besorgt, dass ihren Kindern bei der Nutzung von Facebook gesellschaftliche Schönheitsideale „indoktriniert“ werden. Wieder andere fühlen sich durch die Werbeanzeigen belästigt, weil die Inhalte den eigenen Werten nicht entsprechen und trotzdem immer wieder angezeigt werden. Die Body-Positivity-Influencerin Dana Mercer macht sich auf Youtube für eine Entfernung der Werbespots stark. Die Werbetreibenden würden Body Shaming betreiben und Frauen so in eine unterdrückte Rolle drängen, meint Mercer.

Die Werbespots für Spiele wie „Project Makeover“ oder „Romance Fate“ sind gleich auf mehrere Arten problematisch. Zunächst bedienen sie das längst veraltete Narrativ, dass es die Aufgabe von Frauen ist, Männern zu gefallen. Außerdem vermitteln sie ein Bild von Beziehungen, das stark zu hinterfragen ist: Ist die Frau nicht schön, fleißig, gefügig etc. genug, ist es das gute Recht des Mannes, sie zu verlassen. Als wäre das noch nicht genug, nutzen die Werbetreibenden gezielt die Unsicherheit vieler junger Menschen bezüglich ihres äußeren Erscheinungsbildes aus. Wird im Spot etwa eine Monobraue als abstoßend dargestellt, könnten sich Jugendliche für ihre eigenen Augenbrauen schämen und so Komplexe entwickeln. Genau wie beim legendären „Umstyling“ der TV-Show Germany's Next Topmodel bekommen junge Frauen die Botschaft: Du musst dich anpassen und „optimieren", um schön zu sein.

Das Makabere daran: Die eigentlichen Spiele haben in der Regel nicht einmal etwas mit dem Inhalt der Anzeigen zu tun. Bei „Project Makeover“ etwa handelt es sich um ein Puzzle-Spiel, das im Großen und Ganzen dem Verkaufsschlager „Candy Crush“ ähnelt und sich großer Beliebtheit erfreut. Dass die Spiele nicht sexistisch sind, sondern nur deren Vermarktung, macht den Sachverhalt aber nicht weniger bedenklich. Gerade die Tatsache, dass die Spielehersteller gezielt frauenfeindliche Narrative bedienen, um die Verkaufszahlen in die Höhe zu treiben, wirft kein gutes Licht auf die Werbetreibenden. Facebook hat die Anzeigen zwar nicht produziert, toleriert diese aber zumindest.

Facebook sieht und hört nichts

Ob der aktuelle Aufschrei in den sozialen Medien ausreichen wird, um die misogynen Werbespots von Facebook zu verbannen, bleibt abzuwarten. In der Vergangenheit hat sich aber gezeigt, dass Facebook mit der Entfernung unangebrachter Inhalte oftmals sehr zaghaft umgeht. Den einzelnen Nutzerinnen und Nutzern bleibt noch die Möglichkeit, die Werbeanzeigen zu verbergen und Facebook so zu signalisieren, dass kein Interesse an den Inhalten besteht. Eine weitere Option ist es, die Anzeigen zu „melden“. Die Inhalte werden anschließend vom Facebook-Support daraufhin geprüft, ob sie gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen.

Obwohl die Werbespots eindeutig gegen Punkt 3 von Facebooks Werberichtlinien verstoßen, – „Werbeanzeigen dürfen keine Personen basierend auf bestimmten Merkmalen diskriminieren“ – kann sich eine solche Anfrage schwierig gestalten. Der Beschwerdegrund „Sexismus“ ist in der Liste der von Facebook angegebenen möglichen Gründe für eine Überprüfung nicht enthalten. Da es sich bei den Werbespots nicht um eine direkte Hassrede gegen eine Person oder Personengruppe handelt, kann diese Option ebenfalls nicht gewählt werden. Auch der Beschwerdegrund „unangemessene sexuelle Inhalte“ scheint nicht passend. Letztlich bleibt Betroffenen nur noch der Boykott der Spiele und das Gespräch mit Personen, die sich der Problematik nicht bewusst sind.

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