Gewaltszenarien

Neuer TikTok-Trend verherrlicht Femizide

Die Zunahme an Gewalt gegen Frauen während der Pandemie sorgt weltweit für Protestaktionen, wie hier in Tirana, Albanien.
Die Zunahme an Gewalt gegen Frauen während der Pandemie sorgt weltweit für Protestaktionen, wie hier in Tirana, Albanien.APA/AFP/GENT SHKULLAKU
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Auf der Videoplattform TikTok tauchen aktuell vermehrt Videos junger Männer auf, die detailliert beschreiben, wie sie Frauen bei einem Date ermorden würden. Die Rechtfertigung: Die Inhalte seien „abwegig“.

„Stell dir vor, wir gehen gemeinsam bei unserem ersten Date Bowlen und auf einmal fange ich wie wild an, die Kugeln nach dir zu werfen, bis du einfach stirbst“, ist zu lesen, während ein junger Mann verschmitzt in die Kamera grinst. Was klingt wie aus einem Alptraum, ist aktuell Inhalt eines Trends, der auf der Videoplattform TikTok tausende Likes generiert. Mit derselben Hintergrundmusik finden sich auf der App noch zahlreiche ähnliche Videos. Manchmal geht es um ein Szenario, in dem Frauen von einer Klippe gestürzt werden, dann wiederum dreht es sich um Date im Schwimmbad, bei dem die Frau ertränkt wird. Die „Pointe“ der Videos ist aber immer die gleiche: Die fiktiven Frauen sterben durch die Hand eines (potenziellen) männlichen Partners.

Die Inhalte, von denen etliche mittlerweile wieder entfernt wurden, sorgen für Aufruhr in den sozialen Medien. Manche Nutzerinnen, die auf Dating-Apps wie Tinder angemeldet sind, fühlen sich in ihrer Angst vor Blind Dates bestätigt. Autorin Tara-Louise Wittwer hat auf Instagram Screenshots der Videos veröffentlicht und hält dazu fest: „Femizide sind kein TikTok-Trend“. Wittwer weist aber auch darauf hin, dass nicht alle Männer als Aggressoren pauschalisiert werden dürfen, wie unter dem Hashtag #NotAllMen immer wieder gefordert wird. Die Bewegung soll aufzeigen, dass die Mehrzahl der Männer keine Täter sind.

In den Kommentarspalten unter den betroffenen Videos zeigt sich eine große Differenz in der Reaktion zwischen männlichen und weiblichen Usern. Viele Nutzerinnen sind merklich schockiert über die Inhalte und fragen die Urheber der Posts, was daran lustig sein soll. Immer wieder finden sich unter den Videos aber auch Kommentare, vermehrt von Männern, die den Trend verteidigen. Die Inhalte seien unterhaltsam, weil die beschriebenen Vorkommnisse so „abwegig und makaber" sein. Manche Userinnen sehen diese Aussagen als Hinweis darauf, dass die Lebensrealitäten von Männern und Frauen noch immer sehr unterschiedlich sind. Die Kommentare von männlichen Usern würden darauf hindeuten, dass sich viele von ihnen ihrer „Privilegien" gar nicht bewusst sind. Dass Männer etwa bei einem ersten Date im Gegensatz zu Frauen keine Vorsichtsmaßnahmen treffen müssen, würden diese für selbstverständlich halten, schreibt eine Nutzerin.

„Deswegen habe ich immer ein Pfefferspray dabei"

Gewalt durch einen (potenziellen) Partner ist für manche Frauen aber keine reine Fantasie, wie die Statistik zeigt. Die Zahl der Femizide und misogyn motivierten Angriffe ist in den letzten Jahren, insbesondere während der Coronapandemie, weltweit angestiegen. Jede zweite Frau ist im Laufe ihres Lebens von Gewalt betroffen oder kennt eine Betroffene persönlich, wie eine Studie von UN Women im Auftrag der Vereinten Nationen ergeben hat. Etliche Hilfsorganisationen berichten international von einem vermehrten Andrang in Frauenhäusern und einer Zunahme an Notrufen, seit sich gewalttätige Partner vermehrt zu Hause aufhalten. Manche Nutzerinnen bringen diese Zahlen mit dem TikTok-Trend in Verbindung und schreiben in Antwortvideos: „Und dann fragen sich Männer, wieso wir Angst vor ihnen haben“, „Deswegen habe ich beim ersten Treffen immer ein Pfefferspray dabei“ oder „Aus diesem Grund informiere ich immer jemanden, wo ich bin, wenn ich mit jemandem auf ein Date gehe“.

In Österreich hat die Gewalt gegen Frauen durch deren Partner oder Ex-Partner in den letzten Jahren ebenfalls zugenommen, auch wenn Szenarien, wie sie derzeit auf TikTok beschrieben werden, die Ausnahme sind. Eine Untersuchung der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser hat außerdem ergeben, dass Frauen hierzulande mit 44,6 Prozent bedeutend häufiger Opfer psychischer Gewalt in einer Partnerschaft sind als Männer mit 28,2 Prozent. Im Jahr 2021 wurden 29 Frauen in Österreich getötet, wie die „Presse“ berichtet hat. In den vergangenen elf Jahren waren es 319 Femizide, von denen 80 Prozent durch den Frauen bekannte oder nahestehende Männer verübt wurden. Nur drei dieser Morde wurden nicht von (ehemaligen) Lebensgefährten der Betroffenen verübt.

(vahe)

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