Geldpolitik

Was die US-Falken bringen

Börsianer reagierten gelassen auf die jüngste Zinserhöhung durch US-Notenbankchef Jerome Powell.
Börsianer reagierten gelassen auf die jüngste Zinserhöhung durch US-Notenbankchef Jerome Powell. (c) REUTERS (BRENDAN MCDERMID)
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Washington will die Zinsen rascher als erwartet anheben. Die geldpolitische Kluft zwischen den USA und der EU wird größer. Anleger können einen Blick über den Atlantik wagen.

New York. Vielleicht ist es an der Zeit, mit einem Missverständnis aufzuräumen. Nämlich dem Irrglauben, dass Zinserhöhungen per se schlecht für den Aktienmarkt seien. Klar, in der Theorie ist schon etwas dran. Schließlich verteuern höhere Zinsen die Kredite, weshalb Firmen möglicherweise weniger investieren. Investoren wiederum verdienen mit sicheren Anleihen besser, weshalb sie, in der Theorie, Aktien abstoßen. Alles geschenkt, wie die Reaktion der Börsianer auf die Zinssitzung der US-Notenbank Fed vorige Woche eindrucksvoll zeigt.

Denn die Zusammenkunft der Geldpolitiker in Washington darf durchaus als historisch bezeichnet werden. Die Erhöhung der Leitzinsen um einen Viertelprozentpunkt auf 0,25 bis 0,5 Prozent war freilich weitgehend erwartet worden und längst eingepreist. Das Tempo, mit dem Fed-Chef Jerome Powell in den kommenden Monaten vorgehen will, ist fast ein Tabubruch. Im Schnitt gehen die US-Geldpolitiker von sechs weiteren Erhöhungen bis Jahresende aus – bei sechs ausstehenden Zinsentscheidungen. „Ich habe heute ein Fed-Komitee gesehen, das äußerst entschieden vorgehen wird, um zur Preisstabilität zurückzukehren“, sagte Powell.

Techwerte profitierten

Nun lässt sich argumentieren, dass ein derart rasches Straffen der Geldpolitik angesichts einer US-Inflationsrate von 7,9 Prozent überfällig ist. Trotzdem haben Marktteilnehmer im Vorfeld nicht damit gerechnet. Im Schnitt sind sie von vier weiteren Erhöhungen in diesem Jahr ausgegangen. In der Theorie hätten die Börsen also einbrechen müssen, doch es passierte das Gegenteil. Vor allem der Technologieindex Nasdaq legte deutlich zu. Ausgerechnet. Laut Lehrbuch sind es vor allem Techfirmen, die unter höheren Zinsen leiden, weil ihre künftigen Gewinne heute weniger wert sind.

Im Nachhinein lässt sich für alles eine Erklärung finden, und so verwiesen Analysten darauf, dass ein schnelleres Vorgehen der Fed die Teuerung reduzieren könnte, ohne dass extrem hohe Zinsen 2023 oder 2024 nötig sein würden. Auch die Reaktion an den Anleihemärkten lässt darauf schließen. So stieg die Rendite für zweijährige Papiere stark an, während jene für zehnjährige US-Treasuries nahezu unverändert notierte. Soll heißen: Die Wall Street geht davon aus, dass Powell erfolgreich sein wird, es zu keiner Hyperinflation kommt und sich die langfristigen Zinsen im Bereich zwischen zwei und vier Prozent einpendeln werden.

Vielleicht ist es aber auch schlicht Powells Ehrlichkeit, die Investoren optimistisch stimmt. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt bezeichnete der Fed-Chef als „ungesund“, weil die Arbeitslosenrate von 3,8 Prozent zu niedrig sei und zu einem Mangel an Arbeitskräften geführt habe. Längst hat Powell offen eingestanden, dass er die Zinsen eigentlich bereits früher hätte anheben sollen. Dass ihm die Börsianer nun glauben, zeigt auch die Entwicklung des Dollar im Vergleich zum Euro. Der Greenback legte in den vergangenen Monaten zu, ein Euro war zuletzt nur noch 1,10 Dollar wert. Zu Jahresbeginn waren es mehr als 1,12 Dollar, vergangenen Sommer noch mehr als 1,20 Dollar.

Die geldpolitischen Falken haben in Washington das Kommando übernommen, und damit wird die Kluft zur EU nur größer. Es bleibt abzuwarten, ob das resolute Vorgehen Powells auch zu einem Umdenken innerhalb der Europäischen Zentralbank (EZB) führen wird. Noch will die EZB von Zinserhöhungen nichts wissen, dazu soll es frühestens im Herbst kommen. Hält Frankfurt an diesem Kurs fest, dürfen europäische Investoren einen Blick in die USA werfen. Nicht nur, dass der Aktienmarkt der engeren Geldpolitik positiv gegenüberzustehen scheint. Mit jeder Erhöhung in den USA könnte auch der Dollar an Wert gewinnen, was für europäische Investoren einen Wechselkursgewinn bedeuten würde.

Wohlgemerkt: Sein starkes Abschneiden hat der Dollar nicht nur der Fed zu verdanken. Der Krieg in der Ukraine lässt Investoren verstärkt in sichere Häfen fliehen, US-Staatspapiere und der Dollar sind in unsicheren Zeiten immer gefragt. Das heißt aber gleichzeitig, dass die USA in jedem ausgewogenen Portfolio gerade in der aktuellen Situation nicht untergewichtet sein sollten. Solang kein Kriegsende in Sicht ist und solang die Fed ihren aggressiven Pfad an Zinserhöhungen verfolgt, schneidet man mit US-Papieren und US-Staatsanleihen vermutlich besser ab als mit europäischen.

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