Bei den ÖBB schrillen die Alarmglocken: 264 Millionen Dollar sind bei der Bank of Ireland aufgrund eines Cross-Border-Leasinggeschäfts geparkt. "Wir zittern nicht um das Geld", sagt ÖBB-Chef Kern.
[Wien] Die Irland-Krise lässt nun auch bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) die Alarmglocken schrillen. Grund ist ein Cross-Border-Leasinggeschäft aus dem Jahre 2002: Damals haben die ÖBB zahlreiche Lokomotiven an den US-Investor Philip Morris verkauft. Wie in solchen Geschäften üblich, wurde ein Depot bei einer Bank eröffnet, auf dem ein Gutteil des Verkaufserlöses der ÖBB geparkt wurde. Mit diesem Geld sollen einerseits die Leasingraten an den Investor beglichen, andererseits für die Schlusszahlung „angespart“ werden, mit dem nach Ende der Laufzeit die Lokomotiven durch die ÖBB wieder zurückgekauft werden können.
Das Problem in diesem Fall: Das Geld – 264 Millionen Dollar – liegt bei der Bank of Ireland. Ein im Moment alles andere als sicherer Hafen.
„Wir zittern nicht um das Geld“
ÖBB-Chef Christian Kern bestätigte dies gestern der „Presse“. Gleichzeitig betonte er: „Es wäre absolut übertrieben zu sagen, dass wir um das Geld zittern.“ Denn immerhin hafte die Republik Irland für die Bank of Ireland. Um das Geld müsse man also theoretisch nur zittern, „wenn nicht nur die Bank, sondern auch die Republik Irland ihre Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllt.“ Was nach Kerns Ansicht – nicht zuletzt aufgrund der hektischen Bemühungen in der EU, Irland helfend zur Seite zu springen – unrealistisch sei.
Dennoch sei es ihm natürlich lieber, „wenn wir aus dem Vertrag aussteigen könnten“. Der läuft allerdings bis zum Jahre 2029 – dann können die ÖBB die Lokomotiven zurückkaufen.
Ohne Zustimmung des Investors sei die vorzeitige Vertragsauflösung aber nicht möglich, betont Kern, und Philip Morris habe dies bislang auch abgelehnt, weil das Unternehmen damit seinen durch den Deal lukrierten Steuervorteil verlieren würde. Kern hat also intern die Parole ausgegeben, „die Verhandlungen mit Philip Morris zu intensivieren“. Mehr ist momentan nicht möglich.
Auf die Bundesbahnen kommt also eine Zeit des bangen Wartens zu: Sollte die Bank of Ireland als Tilgungsträger ausfallen und die Republik Irland sich außerstande sehen, einzuspringen, würden die ÖBB das Geld verlieren. Ihr Verkaufserlös wäre weg, andererseits müssten sie ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber Philip Morris natürlich trotzdem weiterhin nachkommen.
Üblicherweise ein gutes Geschäft
Cross-Border-Leasinggeschäfte sind im kommunalen Bereich, aber auch bei Konzernen durchaus üblich. Die ÖBB haben zwischen 1995 und 2004 28 solcher Verträge über insgesamt rund 2,5 Milliarden Euro abgeschlossen.
Da die ausländischen Investoren in solchen Fällen einen Teil ihrer steuerlichen Gewinne auch an den Verkäufer überweisen, sind solche Transaktionen für den Verkäufer normalerweise finanziell von Vorteil. Kern zufolge haben die ÖBB bis dato einen Gewinn aus solchen Deals in Höhe von 283 Millionen Euro lukriert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2010)