Zwei juristische Gutachten zu Transaktionen in Italien und der Slowakei wurden an die Revision übergeben.
[Wien/kor.]Die Vergangenheitsbewältigung in den ÖBB betrifft nicht nur Cross-Border-Leasinggeschäfte (siehe Bericht oben), sondern auch Transaktionen, die in den vergangenen Jahren unter dem (mittlerweile abgelösten) Vorstand der Rail Cargo AG (RCA), Gustav Poschalko, durchgeführt wurden. Eine echte Zäsur: Poschalko gilt immer noch als wahrer SPÖ-Intimus – bislang war er in den ÖBB daher gleichsam sakrosankt.
Nach den mysteriösen Umständen, unter denen der Kauf der ungarischen MÁV Cargo durch die RCA erfolgt ist, haben zwei weitere Poschalko-Deals den jetzigen RCA-Vorstand hellhörig gemacht – in der Slowakei und in Italien. Zwei Rechtsanwaltskanzleien haben dazu bereits Gutachten verfasst. Tenor: Vermögensstrafrechtliche Tatbestände seien nicht auszuschließen. Die Gutachten wurden mittlerweile an die ÖBB-Konzernrevision übermittelt. Es gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.
In der einen Causa geht es um einen Kredit, den die Speditionsfirma „Express Slovakia“ im Jahre 2007 erhalten hat: Rund 30 Mio. Euro hat sie damals von ihrer Muttergesellschaft Express Interfracht bekommen. Die wiederum ist eine Tochter der RCA. Interessanterweise ist aber just die „Express Slovakia“ ein Jahr nach der Kreditvergabe verkauft worden. Insgesamt 67 Prozent gingen an zwei Slowaken. Gerüchte, wonach diese bloß Treuhänder für Gustav Poschalko sein sollen, wollten seit damals nicht verstummen. Per Gutachten sollten denn auch die „gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse“ der slowakischen Firma genauer unter die Lupe genommen werden.
In der anderen Causa geht es um zwei Logistikzentren der RCA in Italien. Auch hier ist es im Jahre 2007 zu eher undurchschaubaren Anteilsverschiebungen bei den Besitzer- und Betreibergesellschaften gekommen, bei denen Millionen geflossen sein sollen. Da, so der Argwohn der RCA, niemals Aufsichtsräte bei Investitionsentscheidungen eingebunden worden sind und es möglicherweise zu diskreten Provisionszahlungen gekommen sei, sollten die Gutachter sämtliche Geldflüsse durchleuchten.
ÖBB-Chef: Da ist nichts dran
Eigenartig ist jedenfalls, dass laut RCA eines der Gutachten erst unlängst an die Konzernrevision übermittelt wurde. Diese solle prüfen, ob die Sache einer „Legal due diligence“ unterzogen werden solle – ob die Sache also Juristen übergeben werden sollte. ÖBB-Chef Christian Kern konnte dessen ungeachtet der „Presse“ gegenüber gestern schon Entwarnung geben: Ja, es habe Verdachtsmomente gegeben, räumte er ein. Aber nein, es habe sich straf- und arbeitsrechtlich nichts Relevantes ergeben.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2010)